März 2019 – Sex

Das nervt mich am meisten. Dass ich jetzt keinen Sex mehr habe. Dass ich jetzt Sex mit jemand anderem haben soll, obwohl ich das gar nicht will. Dass, in dem Moment, in dem ich Sex mit jemand anderem habe, T. kriegt, was er will. Und nicht ich. Ich sitze in der Falle. Im Knast. Im Handlungsknast. Es gibt keine Freiheit, keine Eigenständigkeit, keine Unabhängigkeit. Egal was ich mache, ich machs wegen ihm gegen ihn für ihn trotz ihm ohne ihn.

März 2019 – Die gefährliche Frau

Ch. erzählt mir zweimal von irgendwelchen Typen. Der fand dich nett, sagt er vom einen. Mit dem würdest du dich bestimmt gut verstehen, sagt er über den anderen. Aber, schiebt er schnell hinterher, fang nichts mit dem an, der eine ist ja mit der und der zusammen, und bei dem anderen kriselt’s gerade und er kriegt ein Kind.   

Was, frage ich ihn, bin ich jetzt plötzlich die gefährliche Frau, oder was? Jetzt wo ich keinen Deckel mehr auf dem Topf hab? 

(Schön wärs.)

März 2019 – Das Weinen in der Stadt

Ich steige in die U-Bahn, irgendwo spielt jemand Gitarre. Neben mir sitzt eine Frau, Anfang 40. Sie weint. Nicht laut, die Tränen laufen ihr einfach runter, sie schnieft. Ich krame in meiner Papiertüte nach einem Taschentuch. Ich hab kein Taschentuch. Nur zwei absurde Rollen Klopapier, weil die auf der Party, zu der ich unterwegs bin, ausgegangen sind. Ich höre auf, zu kramen. Die Musik ist vorbei, jetzt plappert ein Kind. Die Frau weint weiter. Gleichbleibend, gleichmäßig. Ich hab kein Taschentuch, sage ich zu ihr, nur Klopapier, wenn Sie wollen. Sie schüttelt den Kopf. Ist schon gut, sagt sie.

Ich steige in die U-Bahn, irgendwo spielt jemand Gitarre. Neben mir sitzt eine Frau. Sie weint. Nicht laut, die Tränen laufen ihr runter, sie schnieft. Ich krame in der Papiertüte, die zwischen meinen Füßen steht, nach einem Taschentuch. Ich hab kein Taschentuch. Nur zwei absurde Rollen Klopapier, weil die auf der Party, zu der ich unterwegs bin, ausgegangen sind. Die Musik hat aufgehört, jetzt plappert ein Kind. Sie weint weiter. Gleichbleibend, gleichmäßig. Ich wende mich ihr zu. Ich hab kein Taschentuch, sage ich, nur Klopapier, wenn Sie wollen. Sie schüttelt den Kopf. Ist schon gut, sagt sie.  

Tut mir Leid, sage ich.

Sie nickt.

Dann steigen wir aus,

laufen auf dem umtriebigen U-Bahnhof auseinander.   

Ich stelle mir vor, wie sie immer weiter weint, auf den Straßen und den Plätzen, in den Bussen und den Bars, in den Wohnungen und über den Dächern.

Sie ist das Weinen in der Stadt.    

März 2019 – Hat sie was drauf?

Im M29er nach Neukölln eine Gruppe Jungs, so zwischen 17 und 22, wohl auf dem Weg nach Hause. Ein Diggar is dabei, er macht dreimal den gleichen Witz: Guten Tag, die Fahrausweise bitte. Die anderen lachen auch schon nicht mehr. Sie hören Hip Hop auf dem Handy, singen ein bisschen mit, ganz süß eigentlich, der Digge singt am lautesten, scheint ne echte Hymne zu sein, auf dem Bildschirm Autos und twerkende Frauenärsche, irgendwie lustig, wie die Typen im Video fast verzweifelt versuchen, hinter den Ärschen, unter denen sie begraben liegen, noch in die Kamera zu gucken. Die Jungs reden einen Mix aus Deutsch und Arabisch, letzteres immer dann, so mein Eindruck, wenn es schnell oder präzise gehen soll, oder wenn sie diskret sein wollen, also nicht wollen, dass die Umgebung versteht, was sie sagen. Über Frauen quatschen sie auch, stört sie nicht, dass ich daneben sitze, bin ja auch keine Frau, sondern eine Mutti. Hast du sie? fragt der eine den anderen. Der andere murmelt irgendwas Knappes. Und, hat sie was drauf? fragt der erste weiter. Wieder kommt die Antwort abweisend und auf Arabisch. Nein, komm, sag mal, insistiert der erste: Hat sie was drauf? Der andere guckt genervt, spielt sein Handyspiel weiter. Ist sie gekommen? fragt der erste. Keine Reaktion. Sag, ist sie gekommen? nervt er weiter und als nun gar nichts mehr kommt, nervt er jemand anderen.   

Ist sie gekommen! Spontan und überschwänglich verbuche ich das als ganz großen Erfolg der Frauenbewegung, dass der Orgasmus der Frau hier, in diesem Jungs-Teenager-Milieu, a überhaupt bekannt, und b ein Kriterium ist, das in die Bewertung der sexuellen Potenz des Mannes beim Prahlen im Kreise anderer Männer relevant ist. Woran man sich halt so klammert, angesichts der traurigen Gesamtgemengelage. Twerk, twerk, bitches

März 2019 – Die eigentliche Tragödie

Eine Frau erzählt mir, dass sie in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurde. Die Geschichte wird schlimm und schlimmer, und am Ende geht es um einen Suizidversuch, den sie nur knapp überlebt hat.

Ich merke, wie ich überfordert bin. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich kann nicht wirklich begreifen, was sie empfindet, wie sie sich fühlt, ich weiß es nicht, es ist so viel, zu viel, es ist mehr und anders als alles was ich kenne, ich merke, wie ich mich entferne, mich innerlich ausklinke und versuche, das zu verhindern, aber es geschieht, und ich beobachte das, und weiß: Das ist die eigentliche Tragödie. Sie ist damit alleine. Auf ewig. Und sie weiß es. 

März 2019 – Eheringe

Kapier ich nicht. Zu laut, zu dick, zu breit sitzen sie plötzlich immer öfter auf den Fingern meiner Freunde. Sehen absurd aus, da, Fremdkörper im Handgemenge.

Menschen mit Geschmack tragen plötzlich Ringe aus Gold, die ihnen die Finger zur Wurst quetschen, die nicht zum Teint ihrer Haut passen oder zu ihrer sonstigen Kleidung. Diese Ringe sollen einem irgendwas sagen. Irgendwas, was man gar nicht wissen will, was einen nichts angeht.

Da gibt dir jemand Feuer oder reicht dir ne Kaffeetasse oder streicht Krümel auf dem Tisch zusammen – und jedes Mal: a glimpse of it. Der Ring, der Ring. Ihr Gollums. Jedes Mal bleibt man für ne Millisekunde dran hängen, an diesen Wichtigtuern. Ständig komm ich aus dem Takt, vom kurzen Goldgeblitze, und denke, was wollt ihr von mir, lasst mich doch in Ruhe damit. Schmuck ist Schmuck, der blitzt auch mal, den kann man hässlich finden oder schön oder egal. Aber ein Ehering ist ein Ehering, oh ein Ehering.

Ich verstehe, dass man auf die Idee kommt, zu heiraten. Ich verstehe, dass man sich signalisieren will, dass man füreinander da ist, dass das, was man miteinander hat, was Wichtiges, ernst zu nehmendes ist. Ich verstehe, dass man Verantwortung übernehmen will, auch über eine Trennung oder den Tod hinaus. Aber muss ich dieses Privatzeug ständig unter die Nase gehalten bekommen? Könnt ihr die Ringe nicht einfach in die Schublade packen, dahin wo das Testament liegt, oder sie an die Patientenverfügung tackern oder unter die Lebensversicherung legen oder zwischen die Reizwäsche oder auf den Ausdruck des Dating-Profils wegen dem ihr euch kennen gelernt habt? Oder nehmt doch wenigstens Ringe, die das für euch bedeuten, was sie für euch bedeuten sollen, denen man das aber nicht dauernd ansieht.

März 2019 – Rasierklinge

Wenn ich nur eine Rasierklinge hätte, und ihn rausschneiden könnte, feinsäuberlich wie ein Chirurg, aus den Fugen und Ecken meiner Erinnerung, den Winkeln und Zotten meines Körpers, den Nervenbahnen und Adern meiner Gedanken, wenn ich ihn abschaben, abtragen könnte, mit Präzision, und ihn in eine Blechschale werfen, und sie der Schwester reichen könnte, die damit tut, was damit zu tun ist, dann, ja dann,

Würde ich es tun?

März 2019 – 68

Morgens in der betahaus-Kantine. Ein Mann, Anfang 70, weiße Haare, wache Augen, spricht mich vom Nebentisch aus an. Ob ich wüsste, was das hier ist. Meine freundliche, aber knappe Antwort (Coworking-Space, Kantine), nimmt er als Startrampe für das, was er eigentlich will: Mich zutexten. Einen Moment überlege ich noch, ob ich die Sache abwürge, aber dann denke ich, lassma laufen, vielleicht kommt ja was bei raus.

Innerhalb kürzester Zeit weiß ich Bescheid. Bescheid darüber, dass er Bescheid weiß. Er hat als Unternehmensberater gearbeitet, für die ganz großen Firmen, als Politikberater, für die ganz großen Namen (Stichwort F. Merz), er weiß, wies läuft – mit der Ungleichheit, den Steuererleichterungen für Superreiche und Konzerne, was bei Anne will aber wieder keiner sagt, was er schon komisch findet, als wüsste das niemand, wir haben ein Problem hier in Deutschland, ich muss wissen, er ist ein Alt-68er, zwei Jahre Studentenparlament, aus dieser Generation kommt er, die Frauenfrage ist wichtig, einen Ehevertrag sollte jede machen, da muss man genau auflisten, wieviel sie für jedes Kind bekommt, wenn er geht, sonst steht sie am Ende da, und was ich denn so mache, aha, und ob ich denn am Ende meiner Verträge auf eine fünfstellige Summe komme, aha, und was denn so ein Tagesticket im Co-Working hier kostet, aha, und dass seine Tochter demnächst-Richterin ist, und sein Sohn Unternehmensberater in der Schweiz.

Wie oft ist mir das jetzt schon passiert, mit den Männern dieser Generation.   Mansplaining und Ego-Monologe, Erfolg und Geld und Selbstverständnis, hinter den Augen tickt der Taschenrechner, (dass ich ein Loser bin, hat er sofort durchschaut), aber das Studentenparlament, das muss erwähnt werden, das Alt-68er-Etikett, das signalisieren soll, dass sie das Herz eigentlich links tragen, dass sie im Grunde dieses Herzens wilde Rebellen sind, die das System durchschauen, dass sie die Frauenfrage immer mitdenken, besonders dann, wenn sie Frauen im Cafe ansprechen.

Fuck you, denke ich am Ende. Geld bis an die Haarkante, mit den Merzens auf Du und Du, die Panama Papers nicht verhindert, den ganzen kapitalistischen Schwachsinn bei vollem Bewusstsein mit betrieben, irgendwelche Werte behauptet und gegen sie gelebt, die Frauen aktiv und strukturell ausgebootet, die Affären ideologisch legitimiert, auch noch die Kinder infiziert, mit Erfolg und Geld und Status – 68 my ass.

Da ist mir so ein Merz doch lieber, der würde nie auf die Idee kommen, seinen neoliberalen Ego-Faschismus als was Gutes zu verkaufen. Nicht wie diese hochetablierte, verlogene 68er-Männer-Karriere-Bande. Wenn mir nochmal einer dieser weißhaarigen Volltexter seine zwei Jahre Studentenparlament unter die Nase hält, als wär‘s ein Gütesiegel für Anstand und Wohlerzogenheit, dann raste ich aus.

Verräterschweine.

März 2019 – Hund oder Katze

Wenn ich je auf die Idee komme, mir einen Hund oder eine Katze anzuschaffen, erschieß mich bitte, sage ich zu J.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, sich einen Hund oder eine Katze anzuschaffen? sagt die Psychiaterin.

Gut, erschieß ich halt die Psychiaterin.

Wie übrigens jeden, der mir sowas nochmal vorschlägt, bevor ich 83 bin.

März 2019 – Der Melle-Automat

Gehe mit G. Uncanny Valley schauen, von Thomas Melle, im Haus der Berliner Festspiele.  

Am Ende sind es die Menschen, die ich uncanny finde,

die aufstehen, und nach vorne treten, zuerst vorsichtig, dann immer forscher,

um die Maschine zu begutachten, die ihnen eben noch ihre Lebensgeschichte erzählt hat, die sich bewegt, in den letzten Zügen des Programms, von dem sie in der letzten Stunde bestimmt war,

um sie zu fotografieren, zu filmen, ihr in den offenen Körper zu schauen, in ihr Gehirn, in ihre Eingeweide,

obszön kommt es mir vor, sich so auf die Kreatur zu stürzen.

Ein Rest respektvoller Distanz bleibt, schließlich hat der Automat das Gesicht und den ungefähren Körper von Melle, aber wer weiß, was wäre, wenn das Absperrband und der Techniker nicht da wären, die über ihn wachen wie Body Guards über eine Celebrity, zu was für einer Meute das geneigte Publikum werden könnte.

Ich brauche einen Moment, bis ich mich traue, näher zu treten, ein Foto zu machen, ich schäme mich dafür, aber auch ich bin begierig, das abzubilden, zu dokumentieren, wie einst ein Jahrmarktbesucher die bärtige Frau oder den einäugigen Riesen. Gleichzeitig klopft die Aufklärung in mir, mit strenger Stimme, die Wissenschaft, die Ratio, und schon wieder schäme ich mich. Diesmal dafür, dass ich Mitleid empfinde, mich mit Respekt nähere, einem Objekt aus Kabeln und Elektroden und Motoren, einem Apparat, den man in eine täuschend echt wirkende Puppe gesteckt hat. Denn KI ist das nicht.

März 2019 – Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich bin in einer Bar. Die Tür geht auf, ich schaue nach links, da steht er. Ich sehe ihn an, er mich, in einem Bruchteil von Sekunden kommunizieren wir: Shit, du hier, sorry, klar, ich gehe. Er dreht sich um und ist weg.

Ich bleibe zurück. Neben mir stehen unsere gemeinsamen Freunde. Es ist so schnell gegangen, dass niemand etwas bemerkt hat.

Das ist doch irre. Ich sehe ihn an, quer durch den Raum, sehe seine Statur, seine Silhouette, seine Kleidung, sein Gesicht, und ich will nichts anderes, als dass er auf mich zugeht, und wir uns zur Begrüßung küssen, und anfangen zu reden, miteinander und mit unseren Freunden, und dass wir trinken, und tanzen, und später zu ihm gehen und miteinander schlafen. Ich erlebe, wie wir uns verständigen, über Meter hinweg, im Halbdunkeln, nur mit unseren Gesichtern, und es kommt mir so dumm vor, so idiotisch, so falsch und so ultra-bescheuert, dass das nicht passiert, dass das nicht passieren darf, und ich denke: Was willst du denn, wir sind doch super zusammen, wie konntest du das in die Tonne treten?!

Das ist das, was ich sehe.

Was er sieht, ist Folgendes:

Scheiße, jetzt ist die hier, ach, mit denen auch noch, und ich bin mit V. hier verabredet, bloß weg hier, wie mach ich das jetzt, schick ich V. ne sms, geh ich halt ins Berghain, wie alt sie aussah, und fertig, hab ich gar nicht mehr so in Erinnerung, ist doch gut, sie geht aus, wie richtig sich das anfühlt, puh, weg von ihr, frei, befreit, bin ich froh, viel zu lange, drauf festgehangen, ja, lass mal ins Berghain, vielleicht geht K. ja noch mit, die texte ich jetzt mal an.  

März 2019 – Angela Schanelec, Ich war

Ich war zuhause, aber

Nervig und schön, wie immer.

Dem Theater nahe, mit seiner Sprache, der hölzernen Natürlichkeit seiner Dialoge. Nein, so würde niemand das sagen. Aber sie sagt es so. Die Schauspielerin als Box.

Das Kehlkopfmikrofon. Was macht das mit Vertrauen und Vertrautheit.

Hamlet, der König – schön, aufrecht und gerade, ein Junge noch, ein Mann schon, der den Kudamm herunterläuft,  – warum sollte ich dieses Bild je vergessen.

Der Dialog mit dem Filmemacher, dem es so Leid tut, dass er ihr nichts Besseres bieten konnte. Der echte Körper und der Versuch, echt zu sein, also zu lügen. Diese Unverschämtheit, die da aufeinander gebracht werden soll. Ich kann ihre Empörung nachvollziehen.

Die Frau, die über ihren Auftrag spricht, einsam zu sein.

Die Kinder, die den Tieren noch ähnlich sind. Die Tiere, die tun was sie tun, sie sind ja Tiere. Die Kinder, die durch das Theater etwas bekommen, was sie längst sind und wir nicht ahnen.

März 2019 – dm

Ich steh vor einem Regal und guck Verpackungen. Spricht mich ein Typ von der Seite an, Mitte 50, weiße Haare, Brille, und sagt: Entschuldigen Sie, ich finde, Sie sind attraktiv, hätten Sie vielleicht Interesse mit mir einen Kaffee trinken zu gehen? Oh, sage ich, und werde rot wie eine 13jährige, das ist sehr schmeichelhaft, aber ich hab leider einen Freund. Als er um die Kurve ist, guck ich wieder Verpackungen, aber diesmal seh ich nichts.

Das ist, weil ich weine.  

Ich weine, weil es eine Lüge ist, dass ich einen Freund habe.

Ich weine, weil die Lüge vor kurzem noch die Wahrheit war.

Ich weine, weil er seinen Mut zusammen genommen hat.

 Ich weine, weil ich ihn nicht attraktiv finde.

Ich weine, weil ich versucht habe, nett zu ihm zu sein.

Ich weine, weil er einsam ist, wie Tausende andere.

Ich weine, weil ich wie Tausende andere bin.

Ich weine, weil es so schwer ist, jemanden zu finden, der zu einem passt.

Ich weine, weil ich das hatte und das vorbei ist.

Ich weine, weil das Spiel, das gespielt werden muss, eines von Hoffnung und Zurückweisung ist, bis in alle Ewigkeit Amen.

Ich weine, weil er mich gesiezt hat.

Ich weine, weil das jetzt meine Welt ist.

Ich weine, weil ich vor dem Gesundheitsregal stehe.

Ich weine, weil zwei Regale weiter eine junge Frau vor den Kondomen steht.

Ich weine, weil ich keine Freude daran habe, dass mich jemand angesprochen hat.

Ich weine, weil mir das Neue nicht aufregend, sondern abgestanden und mühsam erscheint.

Ich weine, weil es T. ganz anders geht.

Ich weine, weil ich gern mal wieder Sex hätte.

Ich weine, weil ich nicht weiß, wie das jemals gehen soll,

ohne zu weinen.

März 2019 – Rossmann

Ich steh vor einem Regal und guck Verpackungen. Ein junger Typ kommt rein, schlurfig-polyamourös, wir sind im Friedrichshain. Er telefoniert.  „..echt, ah, okay – soll ich dir was mitbringen, was denn, achja, du nimmst ja immer diese Binden, echt, ernsthaft, bist du sicher, diese fetten Damenbinden, die gehen ja gar nicht, hab ich dir das schon mal gesagt, eigentlich, dass die voll peinlich sind, doch, nee, echt, die gehen nicht.“ 

So ist das. Die boys und die girls und die girls und die boys und alles löst sich auf und dann denken die boys am Ende, sie können sich im Namen der sisterhood und der allgemeinen Sex-Intimitäts-und-Gender-Körper-Öffnung in die Hygieneartikelentscheidungen ihrer aktuell besten Freundin mit benefits einmischen und dabei gleich noch ein bisschen peer-styling-pressure im Zyklusbereich aufbauen.

Der kleine Blödmann.    

März 2019 – DHM: Europa und das Mittelmeer

Eine einzige brutale Durchsetzungsgeschichte des Kapitalismus. Erwähnt hier aber niemand direkt. Kann man alles schön ablesen, wie aus dem Lehrbuch: Kolonialismus, Rassismus, Nationalismus, Innovation, Missionierung, Modernisierung. Im Namen des Marktes, Amen. Ein einziger Rausch. Ein Siegeszug für die einen auf den Rücken der anderen.

März 2019 – Kurvendiskussion 2

Die Psychiaterin malt erneut die Achsen auf, den Zettel verkehrt herum, so dass ich sehen kann. Sie zeichnet die Parallele zur X-Achse – den gefühlten Normalzustand.  Dann malt sie drei Kreise ein.

Psychot.

Zwangs

Neurot., A, Dep

Steht da drin.

Wenn der Boden nicht mehr hält, und wir einbrechen, und wir den Fuß vielleicht sogar mal eine Zeit lang nicht mehr rauskriegen, dann können wir auf diese drei Arten und Weisen reagieren. Das hier, sie tippt mit dem Kuli auf das Zwanghafte in der Mitte, ist vielleicht nicht oder am Wenigsten ihr`s, das hier, das kennen sie gut, sie deutet auf die Ängste und Depressionen, und das hier, der Kuli landet auf dem psychotischen P, das in dem Kreis ganz links sitzt, und mir Angst macht, das ist eine der drei Reaktionsmöglichkeiten. Sie hatten das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, das bedeutet, sie haben ein Bewusstsein dafür, dass sie in diesen Bereich hineingeraten sind. Jemand der wirklich psychotisch ist, weiß das nicht mehr. Ich möchte, dass sie verstehen, dass das ihre Art ist, auf die Situation zu reagieren. Sie denken, dass die anderen, die, die für sie da sind, und da sein wollen, böse sind, sein könnten. Das ist angesichts dessen, was sie erlebt haben, kein Wunder. 

Ich nicke und nicke, unter Tränen, während sie spricht, dankbar.

Witzig wie gut man mich auf dieser rationalen Ebene erreicht.

März 2019 – Rohes Stück Fleisch

Ich hetze über den Alexanderplatz und bin mir sicher, dass die Frau, die an mir vorbei läuft, meinen Namen sagt. Ich schaue sie an, beobachte sie, aber es war wohl doch etwas anderes. Die Musik ist sehr laut und die Lichter auch. Ich bekomme Angst. Hier stimmt was nicht. Ich schaue auf die Münder der anderen Leute. Viel Zeit hab ich nicht, ich muss über den Platz laufen wie eine Irre. Soeben habe ich C. am Telefon angeschrien. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals angeschrien zu haben. Aber sie hat mich verraten und ich bin verzweifelt und sie begreift nichts. Gar nichts. Sie begreift nicht, wie ungeschützt ich bin, dass ich ein rohes Stück Fleisch bin, das auf dem Tisch liegt, und sie mir noch das Laken wegzieht, mir das letzte bisschen Distanz raubt, das letzte Stück schützenden Raum, den es zwischen mir und der Psychiaterin gegeben hat, die ich so dringend brauche, und von der sie mir im Plauderton erzählt, dass sie gerade mit ihr Pizza isst und sie beim Vornamen nennt.

Ich bin in einem solchen Aufruhr, ich weiß nicht, wohin ich mich drehen und wenden soll, ich denke zwei Schritte, dann stoppe ich ab. Ich erreiche Ch. Bitte, sage ich zu ihm, sprich mit mir. Erzähl mir was, sage ich. Was du gegessen hast, was du heute gemacht hast, was du gerade siehst. Komm jetzt hierher, sagt er, es gibt Essen. Ich bin mir nicht sicher, ich tobe weiter, jage zurück nach Hause,

dann doch noch dorthin.

Man setzt mich an einen Tisch. Es gibt Essen. Irgendjemand redet was. Auch ich. Kamillentee.  

März 2019 – böse

Nachts schrecke ich hoch. Ich sehe die Gesichter der Menschen aus meinem Umfeld.

Was, wenn alle, von denen ich denke, dass sie gut sind,

böse sind.

Am nächsten Tag gehe ich zur Psychiaterin.

März 2019 – Die Kapsel

Die Kapsel ist klein und schmal. In Größe und Form ähnelt sie einem Zäpfchen. Sie ist aus einem silbern glänzenden, futuristischen Material. Ihre Oberfläche ist glatt, sie selbst ist hart.

Ich werde die Kapsel zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen und in meinem Schlund versenken, tief und tiefer, bis sie dort sitzt, wo sie sitzen soll, etwas oberhalb des Magens, in der Nähe des Zwerchfells. Dort wird sie liegen, die nächsten Jahre. Ich werde wissen, dass sie da ist. Ich werde oft an sie denken. Spüren werde ich sie nur manchmal, bei bestimmten Bewegungen: ein Stechen, ein Ziepen.

Wie sich das Material verhalten wird, das weiß ich nicht, niemand weiß das, dazu ist es zu futuristisch, eine neuartige High-Tech-Entwicklung aus dem Weltall. Vielleicht wird sie sich auflösen, die Kapsel, sich abtragen, sanft, Partikelchen für Partikelchen, bis nichts mehr übrig ist, rückständefrei. Vielleicht auch nicht. Vielleicht korrodiert sie auch oder verrutscht ungünstig und liegt dann quer oder ihre Außenhaut wird porös, und das Innere tritt aus, verteilt sich in die Umgebung. Möglicherweise bleibt sie genau so wie sie ist, bleibt dort, an Ort und Stelle. Auf ewig. Oder sie verbindet sich mit ihrer Umgebung, verwächst mit ihr, bis zur Unkenntlichkeit. Aber das weiß ich nicht. Das weiß niemand.

März 2019 – Kurvendiskussion 1

Die Psychiaterin malt mir eine Kurve auf.

Parallel zur x-Achse, ungefähr 10 Zentimeter oberhalb von ihr, läuft eine gerade Linie. Das, sagt sie, ist ihr gefühlter Normalzustand.

Sie zeichnet eine Kurve in den Bereich zwischen der Normallinie und der x-Achse. Die Kurve ist eng, geht hoch und runter und auch ganz weit runter, dann wird sie ganz langsam weiter, flacher.

Die Psychiaterin tippt mit dem Kuli auf das Ende der x-Achse ganz rechts: Gehen Sie hier von einem Zeitraum von zwei Jahren aus.

Und Sie, sagt sie, und kritzelt einen kleinen dicken Strich, ganz links, an den Anfang der x-Achse, kaum einen Zentimeter von der y-Achse entfernt,

sind gerade mal hier.

Zwei Jahre, sage ich.

Und denke: Wenns reicht.   

Durch das Geheule hindurch schau ich sie an. Meinen Strohhalm, meinen Hoffnungsträger.

Das muss schneller gehen,

sage ich.

März 2019 – Schmerzen

Man sollte ja meinen, dass man toleranter wird, den Schmerzen  gegenüber. Dass man weiß, die kommen und gehen, und gehen und kommen, und man kann sie vergessen oder betäuben oder über sie drüber leben oder sie bis zur Unkenntlichkeit ignorieren. Ich werde intoleranter, den Schmerzen gegenüber. Schon wenn sie sich nähern, wenn sie im Anflug sind, gerate ich in Panik. Ich will wegrennen, sie abschütteln, noch bevor sie da sind. Ich will nicht, dass sie mich einholen, mich berühren, sich niederlassen auf mir, sich ausbreiten in mir, denn ich halte sie nicht mehr aus.

Ich halte sie. Nicht mehr. Aus. 

Ich habe genug von ihnen. Ich habe nicht um sie gebeten, ich habe sie nicht eingeladen, ich wollte sie nicht haben, man hat sie mir aufgezwungen, soll doch jemand anders sie nehmen, mir reicht‘s.

Das sind die Momente, in denen ich mir nicht mehr traue, über den Weg. Ich könnte einen Fuß auf die Straße setzen, jetzt, wo da vorne gerade der LKW kommt. Ich könnte ihm wehtun, dem Schmerz, ihm beikommen, mit den Dingen, die mich und meine Gedanken erschrecken, Messer, Zigaretten, Nagelscheren.

Dann hätte wenigstens ich ihn eingeladen und nicht jemand anderes.  

März 2019 – P.

Wissen Sie, sagt die Psychiaterin, wir gehen immer davon aus, dass das nicht so schlimm ist, weil die Leute sich heute andauernd trennen. Aber man kann davon ausgehen, dass Trennungen dieselben traumatischen Auswirkungen auf Körper und Seele haben wie ein Trauerfall. Sie haben jemanden verloren. Mit dem sie zudem noch sehr lange zusammen waren. Sie dürfen traurig sein. Das ist eine Zäsur in ihrem Leben.

Ich weine vor Erleichterung.

März 2019 – Fieberkurve (Nachtrag)

Als hätte man mir den Arm amputiert.

Als hätte ich mein Zuhause verloren.

Auf und ab im Panikkäfig. Niemand ist da. Alle sind weg. C. nimmt ab, völlig überraschend. Holt mich zu sich. Packt mich ins Bett. Irgendwo muss ein Baum geschmückt werden.

TAVOR, der Tapir. Er legt sich zu mir, umarmt mich mit seinem glatten, nackten Körper, legt seinen weichen Rüssel um meinen Hals.  

Als die Familie kommt, haue ich ab.

Ich laufe und laufe.

Wohin weiß ich nicht.

Dann komme ich wieder. Es gibt Kamillentee und Wärmflasche. Das bleibt so in den nächsten Wochen. Kartoffeln müssen geschält werden.

Nie wieder wird irgendetwas so sein wie es war.

Der Schlag ist zu hart ausgeführt. Warum Brandrodung, kann man nicht gemeinsam das Haus verlassen. Entwertung. Auslöschung – ein Versuch, T. Bernhard.    

Wenn nur endlich der 1.Januar und diese verdammte Zwischenzeit vorbei wäre.

Oh, schon halb vier! Wieder zwei Stunden abgehakt auf der Knastliste. Ein Entlassungstermin ist nicht in Sicht.    

Ich esse nichts. Nein, meine Suppe ess ich nicht.

Im Bauch ist Angst, da passt kein Blatt. (Salat). 

Ein Fremder willst du sein. Mit aller Gewalt.

Bei dir: Freiheit, Perspektive, Abenteuer. Ich kratz mich vom Boden auf.

Ein Stück Dreck, ein Hund. 

He dumped me.

Ch. schreit mich an. Lass endlich los. Der ist ne Krücke. Das ist nicht gut. Du hängst da an der Nadel. Du lässt den nicht vom Haken. Der will dich nicht mehr.

Alles zu früh.

Das Leiden so leid.

Du willst kein Du mehr sein. 

G. sagt, zwei Sachen machen pro Tag. Egal was. 

Die Nachtwäsche, die du nicht mehr sehen wirst. Die DVD, die wir nicht mehr schauen werden. Die Reise, die wir nicht mehr machen werden. 

Allein ist plötzlich einsam.

Einsam ist was anderes als allein.

Allein war ich schon die ganze Zeit.

Ich atme, schlage, laufe, spreche, pumpe, rausche, schnell und schneller.

Ich hab irre viel zu tun.

Ausnahmezustand.

Ausstellungen, Verabredungen, Bars, Veranstaltungen, Sport, Bewerbungen.

Ich bin ein Zombie. Noch nicht tot. (Unsauber ausgeführter Tötungsakt.)

Deine Wohnung. Die Trainingshose. Deine Mutter.

Nie wieder ist so eine lange Zeit.

Der Zahn der Zeit.

Over and out.

Wie das ringt und klingt in mir.  

Friss oder stirb. Kein Raum. Kein Abschied. Keine Umarmung. Keine zärtliche Geste gegenüber der Geschichte. Nicht mal im letzten Moment. Keine Erlaubnis. Nur eine Mail.

Du hast was Besseres verdient.

Wann hat ein Satz mich je so wütend gemacht.  

Ich archiviere Mails, sms. Dann entferne ich sie aus meiner Sichtweite. 

Ich schreibe Listen, von all den Dingen, die ich tun will.

Ich flirte mit einem Typ bei McDonalds.

Ich will weg. Ich will zum Bahnhof, zum Flughafen. Ich löse alles auf, ich lösche alle aus, ich erkläre alles für null und nichtig.

Ich klebe an meiner Scholle. Den kurzen Wegen, meinem Stück Treibholz aus Sport, Café, Freunden, Bibliothek. Ich kann nicht weg.    

Ich kaufe Kondome.

Ich will den Wettbewerb gewinnen. Dann fällt mir ein: Der ist ja längst verloren.  

Meine Wohnung hat Wände. Ich weiß nicht mehr, wem diese Wohnung gehört. Ich kenne diese Person nicht.  

Deine Hand schiebt sich in meine, plötzlich, an der Ampel.

Abende. Wochenenden. Die plötzlich gefüllt werden müssen.   

Eine. Milliarde. Erinnerungen

Ich kann nicht in die Badewanne.

Keine Ahnung, wem dieser Körper gehört. Mir jedenfalls nicht.

Ich könnte ihn verschicken, den Körper. In Teile zerlegt, in eine Kiste gepackt. Vermerk: Unbekannt verzogen.  

Im Kindermodus der Angst. Ich hab meine Blase nicht im Griff.

Mittelmeer Ausstellung. Dann mach ich  halt alleine, was der Plan war. Ich stehe vor den Stelen und lese. Ich lese nochmal. Und nochmal. Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstanden hab, was darauf steht. Daneben gibt’s auch einen Text in einfacher Sprache. Was, wenn ich nicht mehr denken kann. Was, wenn ich nur denken konnte, weil er da war.

Der Schock macht mich dumm.   

Schwimmen gehe ich nicht.

Mit wem schläfst du gerade? Auf welchen Hochzeiten tanzt du?

Der Bezugsrahmen ist weg. Der Bezugsrahmen ist nicht weg zu kriegen.

Alles gehört dir, alles ist besetzt, Straßen, Plätze, Wohnungen, Länder, Städte, Kontinente, Seen, Clubs, Cafes, Restaurants. Ich sitze im Knast, ich kann mich nicht bewegen, wo soll ich hin.

Wie soll ich das unbeschadet überstehen. Wie soll ich das beschadet überstehen und trotzdem weitermachen.

Ich schlafe 2 Stunden pro Nacht. 

Nach 10 Tagen wache ich auf. Da ist er, der toxische Gedanke. Was, wenn es ein Fehler war. Was, wenn es doch nochmal geht. Was, wenn sie sich nicht bewährt hat, die Trennung.

Cold Turkey.

Craving.

Die Angst, ein Lindwurm in meinem Bauch. Der wächst, wird größer, wölbt sich, bäumt sich auf, schreit grässlich. Schreit an gegen die Tatsache. Die Ungeheuerlichkeit.

Ich bin so froh, dass ich keine Kinder habe.   

Ihr reicht alle nicht. Ihr seid alle falsch, ihr seid die Falschen. Ihr nützt nichts.

Ihr seid kein Trost.

Ich liege auf dem Boden im Bad und schreie nach dem Trost.

Aber der kommt nicht.

Asocial Media. Als dein Foto auftaucht (obwohl ich es M. Zuckerberg ausdrücklich verboten habe), gehe ich in die Knie.

Ich bin verliebt in dich. Das gibt’s doch nicht.

How to fix a broken heart.

Ich schreibe eine Liste, was alles scheiße ist an dir. Aber das weiß ich doch. Das war doch nie der Punkt.

Der Strand. Unsere Schuhe. Mein Knie.

Duck and Hide: Die Wut. Wo ist die Wut? Sie hat Angst, versteckt sich vor mir.

Ich schau sie alle an. Die Männer. Alle.

Was, wenn ich darauf hängen bleibe. Ich habe das Potential dazu.

Wie soll irgendjemand je bestehen.

Mein Körper, was für eine Verschwendung. So unberührt.

Dann wird mir klar: Das wird der schlimmste Abschied von allen. 

Irgendwo in einem Cafe. Quiero estar contigo, singt eine Frau. 

Macht ihr jetzt bitte alle mal die Musik aus.

Ich muss mich ja immer nur krümmen unter ihr.

Dumme Popsongs in der Jukebox in meinem Kopf. My loneliness is killing me. I want to get away, I want to fly away. All the loney people.

Silvester. Den ganzen Tag bin ich gelaufen, hier hin und dorthin. Ich bleibe allein. Die eine Party ist zu klein, die andere zu groß, die dritte ist inmitten einer Kleinfamilie. I have to face this night alone. Ich gehe was trinken, in einer Bar, ich kaufe mir was zu essen, ich will einen Film sehen. Am Ende funktioniert der DVD Player nicht.

Jeder hat das Recht zu entscheiden, was er mit seinem Leben anfängt, mit wem er es teilt. Jeder, nur ich nicht.

Deine nächste Freundin wird dunkelhaarig sein.

Ich sehe sie, beim Einkaufen, auf der Straße, im Museum. Die würde dir gefallen. Die könnte es sein.   

Was denkst du, was meinst du, wie findest du, Klamotten, Zeitungsartikel, Veranstaltungen, Filme, Freunde, Essen, Politik, Unterhosen, Jobs, Geburtstagseinladungen, Möbelkäufe, alles alles prallt gegen die Wand, kommt zurückgeschossen, trifft mich, hart wie Squashbälle. Die Wand will sie nicht haben, behalte deinen Dreck.

Im Gespräch zuhause. Jetzt: Zuhause im Selbstgespräch.

Ich brauche alle. Ständig.

Alle und alles sind falsch. Nichts und niemand ist richtig. Keiner reicht. Alle sind zu wenig.

Ich langweile mich. Ihr seid ja alle nett, aber ich langweile mich. Zu Tode. 

Ich träume, du hast eine Verletzung am Arm, ein großes Loch in der Armbeuge. Wir stopfen es mit Silikon. Füllen alles auf, streichen es glatt.

Ich träume und träume und träume. Das ist Folter.

Ich wache auf. Das auch.

Kopf hoch, sagen die Männer. Einer davon ist Therapeut.  

Wenn mir irgendjemand erklären kann, was daran gut sein soll, was sinnvoll oder toll, bitte, hier ist meine Nummer: 

Manchmal sehe ich alte Männer, die dir ähnlich sind. Dass ich nicht bei dir sein werde, wenn du alt bist oder krank, das schmerzt mich. Jemand anderes wird dann bei dir sein.

Ich bin froh, dass es noch unter 50 passiert ist.

Ich erschrecke vor meinem Spiegelbild. Vor dem Alterungsschub. Vor dem Unglück, der Unaufhaltsamkeit, der Hässlichkeit, der Unausweichlichkeit. Dem Tod.

Alle erwarten jetzt Großes von mir. Ich soll mich frei fühlen, befreit. Ich soll mich freuen, dass etwas Neues kommt, ich soll selbst neu werden, offen, selbstbewusst, aus dem Schatten treten, ins Licht, zu mir selbst kommen, die ganze Energie nutzen, die jetzt frei geworden ist.

Ch. fragt mich, ob ich schon Urlaubspläne habe. Ich könnte ihn killen.

Ich habe non stop schlechte Laune. Üble Laune, übellaunige Übellaune. Übelnehmend, übelmeinend.

Statt dass es besser wird, gräbt es sich ein. Es sickert noch in jede freie Lücke meines Inneren, es verfängt sich in den Netzen, frisst sich in die Eingeweide. Die Erkenntnis. Die Enttäuschung. Die Verbitterung. Die Einsamkeit. Die Hoffnungslosigkeit. Und ich kann es nicht aufhalten.

Fruchtlos. Das ganze Lieben, Verzeihen, Hoffen, Kämpfen, Dran bleiben, Aushalten, Durchhalten, fruchtlos. Alles fruchtlos.

A. redet böse über ihn. C. auch. Ich halte das nicht aus.

Helene Fische und Florian Silbereisen haben sich auch getrennt. Wir kommen damit klar, wir hoffen, ihr auch. Was würd ich drum geben, wenn es so wär. Wir beschließen gemeinsam die Trennung. Es war schön, aber es ist vorbei, beidseitig. Wir werden Freunde sein, nicht gleich, aber bestimmt, und bald, wir wünschen einander das Beste.

N. hat ihn gesehen, sich mit ihm unterhalten. Ich halte es kaum aus, neben ihr zu sitzen. Sie riecht nach ihm.

Ich mache Witze.

Der T. war ihr Schicksal.

Harter Texit.

T.rump

T. will die Mauer, und Mexico soll zahlen.

T.: Lets build a wall. Muss nicht Beton sein, Stahl geht auch.

I got fired

Make Elli great again

Erstmal jemand finden zum Lachen.

Ich habe ständig Angst, dass noch was passiert. Ein Unfall, eine Erkrankung, ein Todesfall. Das geht jetzt nicht, bitte, das schaffe ich nicht. In Kliniken liegen, voller Angst, auf Beerdigungen stehen, voller Trauer, und T. ist nicht der, den ich anrufe.  

Wo ich hinsehe, sind die Leute auf der Suche. Alle haben sie was zu meckern, der ist so, die macht immer das, wir haben keinen Sex , wir streiten uns, im Urlaub klappts nicht. Es ist so schwer, jemanden zu finden, den man aushält, der einen aushält. Und den man trotzdem immer wieder begehrt.

Man kann alles kaputt machen, entwerten, die Welt ist hart, scheiße ist normal, Sex ist Ausbeutung, Liebe ist Einbildung, Abhängigkeit, Fixierung Dummheit, was für Schwächlinge. Der Kapitalismus steckt überall noch in den zartesten Beziehungen, alles ist ein Deal, es gibt keine Romantik, keine Loyalität, keine Treue, keine Solidarität, alles ist auf Zeit, am Ende sterben wir allein.

Mein Wertesystem ist am Arsch.

Ich muss hier raus. Ich kann hier nicht raus. Wie komm ich hier raus. Ich will hier raus. Warum kann ich nicht raus.

Ich bin verflucht, besetzt, nur ein Exorzismus wird helfen.

Ich mache mit euch allen Schluss, ich streife euch ab. Ich werde euch los.

Ich trete auf die Straße.