Oktober 2018 – Meckerfixierung 3

War das Farocki, der uns vor Augen geführt hat, dass im Supermarkt jeder unserer Schritte, jede unserer Hand-, ja, Augenbewegungen für Design und marketingstrategische Überlegungen, sprich System, Fetisch und Kapitalismus von Interesse sind? Klar war das Farocki.

Ich frage euch also, wenn schon so, dann WIESO

kriegen die es in den Supermärkten eigentlich nicht hin, das Kassenband so zu bauen, dass man den vollgestopften, schweren Korb nicht aufs Band hieven muss, als wärs ne Riesenhantel, und dann auch noch ein nerviges kleines Spielchen mit ihm anfangen muss, weil er mit dem Band abhaut, wegzuckelt, man ihn zurück zieht, Produkt raus, er weiter zuckelt, man mitzuckelt, er weiterrruckelt, usw., usf., ein Tanz für Deppen, bis man an der Kasse ist und den Korb dann,  inzwischen leer, wieder ganz nach vorne, an den Anfang des Bandes stellen muss, vorbei an den anderen Leuten in der Schlange, Entschuldigung, ich müsste mal, könnten Sie, ach, danke.

Oder,  andere Variante, WIESO muss man, wenn man den Korb unten auf den Boden vor das Band gestellt hat, sich zwanzigmal nicht rückengerecht runterbeugen, um ein Produkt nach dem anderen aus den Tiefen des Korbs zu holen, und es hoch aufs Band zu legen, eine Streckenüberwindung von jeweils ca. einem Meter von ganz unten, Bodenebene nach oben, Bandebene, das Spielbein tendenziell abgespreizt, wie bei der Fitness-Übung Der Stern – denn zwanzigmal in die Knie gehen und wieder hoch, geht ja irgendwie auch nicht.

Warum diese Kundendemütigung, gerade da, wo die Produkte bezahlt werden sollen. Warum muss man dem Kunden genau hier, an dieser Stelle, das Gefühl von Komfort entziehen. Weil es ein Privileg ist, zu zahlen? Weil man sich das hart erarbeiten muss? Weil man die durchdesignten Produkte dann noch mehr zu schätzen weiß, die man jetzt gleich bezahlen darf?

Bis die Idiotie der Kasse und  oder der Kapitalismus abgeschafft sind, dauerts noch, wies aussieht.

Wieso also kann man nicht einfach auf durchschnittlicher Handhöhe eine Ablage vor dem Band anbringen, auf dem man den Korb bequem abstellen und seine Sachen ausladen kann? Auch das Band ließe sich nach vorne verlängern, sodass es weiter unten, auf komfortabler Abstellhöhe beginnt, um dann erst den Bogen auf Kassenhöhe zu machen. Ich meine, das jetzt mal nur so von jemand, der keine Ahnung hat,

schöne Grüße an die Supermarkt-Designer.

September 2018 – Populismus

Die Linke/Rosa-Luxemburg Stiftung beschäftigt sich gerade vermehrt mit Populismus. Wir brauchen einen von links, ist der Tenor.

Dass man überhaupt auf die Idee kommt, Populismus zu fordern, finde ich empörend. Populismus als politische und kommunikative Strategie in Betracht zu ziehen, bedeutet davon auszugehen, dass Leute dumm sind, dass man sie da abholen muss, wo sie dumm sind, und dafür sorgen muss, dass sie dumm bleiben. Populismus ist eine Absage an Aufklärung, Wissen und Wissenschaft, eine Absage an die Idee vom lernenden, denkenden Menschen. Seit wann ist einer solchen Haltung je etwas Gutes entsprungen?

Einmal mehr offenbart sich in dieser Forderung nach Populismus als politischer und kommunikativer Strategie der romantisierende Blick der Linken auf „den Arbeiter“, in den schon immer etwas Elitistisches bis Verächtliches eingeschrieben war. Die linken Eliten sehnen sich nach „dem Arbeiter“, sie wollen für ihn andockbar sein. Auch wenn der sie längst vergessen hat. Auch wenn der längst besser verdient und besser abgesichert ist als sie selbst. Vor allem aber: Auch wenn der ein Nazi ist. Sie wollen ihm aufs Maul schauen und nach dem Maul reden. Damit er sie wieder liebt. Schade, schade, nun sind sie alle bei der AfD, der Pegida, der Nachfolge-NSU, den Identitären, den Reichsbürgern, den Hooligans und singen dort ihre Lieder. Und die, die dort sind, sind oft gar keine Arbeiter, sondern satte Mittelschichtler mit Hochschulabschluss und Car-Port, einige von ihnen waren selbst mal linke Elite, sie verlegen Zeitungen, haben Verlage und sind international vernetzt. Aber das ist egal, die Linke will lieber mal besser über Populismus als Heilsstrategie nachdenken als über Ideen, Konzepte, Forderungen, die dem System an die Substanz gehen. Sie wollen lieber auf den Rechtsruck reagieren als agieren.

Auch hier spaltet die Linke sich feinsäuberlich auf. Die Populismus-Forderung vom „bösen“ Flügel,  also dem rund um Wagenknecht/Aufstehen-Bewegung/Bernd Stegemann, der eher unverhohlen national argumentiert. Der deutsche Arbeiter, die deutsche Oma, das deutsche Kind zuerst. Und eine Populismus-Forderung vom „guten“ Flügel, also Kipping/Bartsch, die sich als innerparteiliche, rasche Antwort darauf mit Chantal Mouffe und ihrer akademisierten, korrekteren Variante der Populismus-Diskussion wappnet, die um Verständnis für die Bedürfnisse und Emotionen des kleinen Mannes ringt.

Das ist alles haarsträubend.