Beim Therapeuten gewesen,
über U. gesprochen und ihre Nacht am Bett meiner Kindheit.
Beim Therapeuten gewesen,
über U. gesprochen und ihre Nacht am Bett meiner Kindheit.
Ich hätte manchmal
einfach gerne gewusst,
was du fühlst.
Beim Therapeuten gewesen,
über das Gefühl von Befriedung gesprochen, das sich bei der Relektüre einer Mail von T. einstellt.
Ich bin nicht allein mit dir, ich bin nicht bei dir, du erreichst mich nicht,
ich sitze zu weit hinten.
Und es gibt Menschen, um die ich mich kümmern, die ich im Auge behalten muss.
Im Sarg liegt jemand, jemand, der du gewesen bist, ein Bild von dir daneben, wie zur Erläuterung.
Das Lied, das du uns am Ende mit auf den Weg gibst, ist ein Abschiedslied, von jemandem, der geht, und den Zurückbleibenden wünscht, sie mögen beschützt und getröstet sein.
Als alle raus sind, aus der Kirche, durch deren Fenster an diesem Novembertag das Licht fällt, wie in einem der von dir so gemochten Chagall-Bilder, setze ich mich noch einmal in eine der Bänke, um endlich bei dir zu sein, Kontakt aufzunehmen zu dir. Ich bin dir dankbar. Ich habe von dir gelernt. Du wirst mir einfallen. Ich werde dich befragen.
Neben mir bei der Trauerfeier ein jüngerer Mann, der weint. Vielleicht einer deiner ehemaligen Studenten? Wie viele Menschen hier allein sind mit ihrer Trauer um dich, ohne dass jemand gewusst hat, dass es sie gibt. Das ist seltsam und schön. Als gäbe es da draußen weitere Kinder von dir.
Wie sehr er mir gleich aus der Seele spricht, Fabian Hinrichs, der lange Schlaks im goldenen Anzug, denn in was sonst sollte man durchs Leben gehen, wenn nicht in einem GOLDENEN! ANZUG!, durch diese One-Man-Show mit Revue-Charakter, die Leben heißt, in der der One Man flankiert wird von den anderen, den Tänzern, die um ihn sind, ihm zuhören, chorisch auf ihn reagieren, freundliche Gesellen, die höchstens mit einem Doch! widersprechen, wenn man Nein! sagt, das gute, alte Kinderspiel.
Hier geht es um nichts weiter als um die Einsamkeit im Kapitalismus, um eine Welt in der es kein Zuhause gibt und geben kann. Und einsam sind alle, woran man das merkt? Beim Netto steckt man den Leuten in der Schlange an der Kasse seine Telefonnummer zu, und ALLE! ALLE! rufen an.
Die Biographie schon: Eine Erzählung von Gewalt, diesem Gegenteil von Zuhause, dem man nicht entkommt, außer man begeht Selbstmord.
Alle suchen, suchen weiter, suchen ein Zuhause. Suchen im Eskapismus (denn gegen den sind nur GEFÄNGNISWÄRTER), der Droge, dem Feiern, der Stadt. Doch es GELINGT nicht.
Suchen unter der Brücke, unter der wir schlafen. Und die sie uns dann auch noch nehmen.
Suchen, natürlich, in der Liebe:
Ich will
mit dir zu Decathlon gehen,
ein Zelt kaufen.
Da ist er, der ganze, gegen die Wand geschriene, ins Universum trotzig hinaus geschleuderte, leuchtende Text, und der Schauspieler, der diesen Text abarbeitet mit seinem Körper, ihn durcharbeitet, mit seinem Schweiß, im Gegenpol zu seiner eigenen Empfindlichkeit, im Modus eines inneren Tatsachenberichts, bis er fix und fertig ist, am Ende, der Körper und der Text.
Ein Stück wie ein Tocotronic-Song. Die Bühne hat Tiefe und Breite und kann durchschritten werden.
Am Ende der Pop-Song, der schon immer so viel mehr zu sagen hatte als tausend Worte, die Weisheit des Populären. All by myself schwebt der Goldene Anzug Bowie-Style durchs All. Mit sich selbst und um sich selbst und auf sich selbst bezogen und geworfen zugleich,
dank des Bühnen-Equipments.
Meldung eins: Trump steigt aus dem Klimaabkommen aus. Meldung zwei: CDU Landeschef Mohring will Verhandlungen über eine Koalition mit der AfD in Thüringen nicht ausschließen.
Ein Foto aus der Zeitung nach der Wahl in Thüringen beschäftigt mich. Ein junger Mann ist darauf zu sehen, Anfang zwanzig, schätze ich. Hellblonde Haare, Undercut, die oberen, langen, akurat zurück gestrichen, ein Tribal Ohrring im Ohrläppchen, diese Dinger, die das Ohrloch ausweiten, dazu ein weißes Hemd, Anzug, eine blaue Krawatte und ein AfD-Abzeichen am Revers. Er jubelt auf einer Wahlveranstaltung der AfD in Thüringen, offensichtlich angesichts der Ergebnisse.
Es sind die Gleichzeitigkeiten, bzw. Uneindeutigkeiten, die mich wie immer irritieren, die die Einordnung erschweren oder unmöglich machen, nicht so
WIE FRÜHER.
Hier ist auf nichts mehr Verlass. Nicht auf die Jugend, nicht auf den Ohrring, nicht auf die Medienbrille, nicht auf den Undercut, nicht auf den Anzug, nicht auf die Krawatte. Die Dinge sind in einer Geschwindigkeit unlesbar geworden, dass das Rauschen in meinem Kopf Mühe hat, sich zu beruhigen. Hier geht, das lässt sich nicht mehr leugnen, eine REVOLUTION vor sich, an der ich mich nicht beteiligen möchte, würde, werde. Im Gegenteil. Wie meistens also, vor allem, Irritation über mich selbst. Ich dachte immer, wenn die Revolution kommt, mach ich mit.
Beim Therapeuten gewesen,
über Freundschaft und Übelnehmen gesprochen, und den Punkt, den es zu verstehen gilt und der nicht verstanden wurde.