August 2014 – Geld

Geld. Geldgeldgeld. Geldigeld.

Heute morgen im Bett. Ich frage T. wie viel Geld man eigentlich bräuchte, um von den Zinsen leben zu können.  250 000?

Rechne es doch aus, sagt er. (Typisch)

Ich: Wie viel Zinsen kriegt man denn gerade? 1 Prozent?

Er: Bei 250 000 schon bisschen mehr, 3 Prozent.

Ich: Also gut. gehen wir mal davon aus, dass wir 1500 Euro monatlich brauchen, netto. 250 000 sind 100 Prozent, x sind 3 Prozent. 250 000 mal drei durch hundert.  7500. 3 Prozent von 250 000 sind 7.500. 7500 pro Monat?

Er: Spinnst du? Pro Jahr!

Ich: Das reicht nicht.

T. lacht.

Ich: 7500 durch 12 sind 650, immerhin, da ist die Miete schon mal drin (im Moment noch). Kann man ja noch was dazu verdienen. Aber gut, das Doppelte also: 500 000.  Ich bräuchte 500 000 Euro, um von den Zinsen leben zu können. Ich müsste mich dann ja auch nicht mehr um eine Altersvorsorge kümmern, die hätte ich ja – eben die 500 000 Euro. Gut. Dann will ich 500 000 Euro. Dann wäre ich endlich frei. Ich könnte endlich in aller Ruhe arbeiten gehen, ohne mir ständig Sorgen machen zu müssen, dass ich die Arbeit wieder verliere. Ich könnte aufschreiben, was ich aufschreiben will und einfach mal sehen, ob es jemanden interessiert. Ich könnte auch putzen gehen oder Gebärdensprache lernen. Ich könnte nach Japan fahren und ein paar Monate in den USA leben und dann wieder was arbeiten. Ich könnte arbeiten und arbeiten, wenn ich Geld hätte, das wäre dann ja überhaupt nicht schlimm. Das wäre überhaupt kein Problem. Es würde nicht weh tun. Ich hätte ein Büro mit einem großen, einem ziemlich riesigen  Tisch und da würde ich  schreiben und Sachen basteln und Kunst machen aus Geld und schreiben. Und dann wieder was an die Wand kleben oder was ausschneiden oder so, das mach ich so gern. Ich brauche also 500 000 Euro das ist jetzt klar. Ich brauch sie jetzt, bevor. Ich brauche eigentlich nur jetzt 500 000 Euro. Der Rest würde sich dann schon regeln. Ich glaube, das geht. Das ist eine überschaubare Summe. Ich glaube, das geht. Wenn jeder 500 000 Euro hätte, dann könnte jeder von den Zinsen leben. Auch die Banken wären dann reich. Ein bisschen was dazu verdienen kann ja jeder noch, aber dann wär’s ja auch leicht, weltweit.  Das ist auch besser als Grundsicherung, denn da hat man ja wieder Probleme, weil es vorne und hinten nicht reicht, und die Altersvorsorge nicht gesichert ist und am Ende sind doch wieder alle arm. Also 500.000 Euro. Jetzt.

500.000, das muss doch gehen.

 

August 2014 – Affen gemeinsam stark

Cooler Slogan. Visuell ein großer Spaß für mich, die Einstiegsszene im Wald bläht einem die Nüstern, die Bewegungen der Affen, das Affental, das zugewachsene San Francisco, die Golden Gate Bridge, über die sich die Affen in die Stadt schwingen – alles klasse. Aber die Figuren und die Geschichte, es klingt abgeschmackt, weil mans immer sagt, aber wirklich: Du liebe Zeit. Der einzig interessante Moment im ganzen Film ist der, in dem einer der Affen zwei Dumm-Menschen den Affen macht. Und die drauf reinfallen, bevor er sie mit einer MP dahinfegt. Da gibt es mal für einen Moment ein kurzes Aufleuchten von sowas wie einer politischen Ebene. Und ein bisschen Befriedigung.

Der absolute Hammer ist die Frau: Sie assistiert dem guten Helden bei seiner gefährlichen Mission und ist ihm Stütze und Mutter für sein Kind. Wow, so krass gab’s das aber auch schon länger nicht mehr, oder? Und der andere absolute Hammer ist die Figur des Schwarzen. Er fängt an zu tanzen, als nach apokalyptischen Jahren stromloser Zeiten  (Vireninfektion hat Menschenbestand auf überschaubare Menge reduziert) Musik erklingt.  Achja, und der dritte Hammer ist die äffische Kleinfamilie, in der die Frau daran zu erkennen ist, dass sie erst gebärend, dann krank, jedenfalls schutzbedürftig ist, sich um ihre beiden Kinder sorgt, in Sicherheit gebracht werden muss, und eine Art Lichterkette ohne Licht trägt, damit man sieht, dass sie die First Lady ist.

Das hatten sie aber auch schon mal alles besser bei Pl.d.Affen, oder?

August 2014 – Beine

In der Tram sitze ich vorne rechts, allein, auf einem Einzelsitz. Da guck ich hoch und denke, wow, hab ich lange, schlanke Beine!

Da ist das eine Wand aus getöntem, spiegelndem Plexiglas, leicht gewölbt, die die Fahrerkabine umhüllt und meine Beine in die Länge zerrt.

Cool, da setz ich mich jetzt immer hin.

August 2014 – Lügen

ich lüge wie gedruckt. Ich flunkere. Es fällt mir leicht. Will ich irgendwo nicht hin, denk ich mir was aus. Und ich will oft irgendwo nicht hin. Auch wenn ich dann am Ende doch hingehe, denke ich mir vorher lang und breit aus, was ich sagen könnte. Erleichterungsfantasien, Wunschfantasien. Beinbrüche, Magen-Darm-Grippen, Jobs im Ausland, Gerichtstermine, Ortstermine, gestorbene Verwandte, kriminelle Verwicklungen, Schienenersatzverkehr, Migräne, Nachbarschaftshilfe – ich bleibe immer hart an der Realität. Ich gebe auch T. gerne Tipps, was er sagen könnte, wie er sich aus der Affäre ziehen könnte. Er lacht sich tot. Ich sage, sag doch. sag doch, du bist. Oder sag doch, du musst. Oder sag doch, du machst. Es gibt gute Flunkereien und schlechte. Man muss sich schon was einfallen lassen. Bisschen nachdenken. Es darf nicht langweilig sein (für einen selber), nicht zu lahm, aber auch nicht zu aufwändig. In diesen Fällen kann man sich die Flunkerei sonst nicht merken und das ist schlecht, falls das Gespräch nochmal drauf kommt.

Denn es ist ja so: Du sollst nicht lügen ist die größte Lüge der Menschheit und das Verlogenste was sie je hervorgebracht hat. Den lieben langen Tag sollen wir lügen (Arbeit) und dann aber an den richtigen, wichtigen Stellen (Name, Adresse, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Jobcenter) schön die Wahrheit sagen. Wir leben im Zeitalter der wahrheitsgemäßen Lüge, Selbstoptimierung genannt und ich sehe nicht ein, warum das nur dem Arbeitgeber nutzen soll. Bei jedem Gespräch das sie mit dir führen, wollen sie dich lügen sehen und gleichzeitig die Wahrheit sagen hören, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Deshalb liebe liebe ich das Internet. Ich habe einen Namen, den ich nicht mag, deshalb gebe ich mir gerne und oft einen anderen. Danke Internet! Danke fuck-Facebook, der Klarname ist out! Das Klarbild ist out und das Klaralter ist auch out, ich seh nicht ein, warum ich mir mit einer der drei Sachen einen Nachteil durch Unoptimierung verschaffen soll. Ich lebe davon, mir Sachen auszudenken, also warum sollte ich irgendjemand da draußen die Wahrheit sagen?  Ich möchte entscheiden, wie ich heiße und wie alt ich bin. Ihr wollt, dass ich kreativ bin? Seht meine Vita. Die ist so kreativ wie ich, suckers! Ich? 38. Elli April. Geboren am 6.November 1974. Äh, ja, Skorpion. Ups, schon erledigt. Man muss flink sein im Kopf, vor allem beim Rechnen. Da haperts manchmal, das ist peinlich.

Mein Leben lang habe ich mich gefragt, wie man seine Identität wechseln kann. In den amerikanischen Filmen sieht das immer so leicht aus (auch nicht mehr). wie macht man das, einfach abhauen, alles zurücklassen, wie macht man das konkret, wie verschwinden Menschen, effektiv, wie kriegt man einen neuen Pass, einen neuen Namen, eine eine neue Geschichte. Das hat mich schon immr fasziniert an Verbrechern, Terroristen, Kronzeugen. Zurück auf Los. Du bist nicht mehr du. Was für eine Erleichterung.

 

August 2014 – Al. Bechdel

Alison Bechdel kann das, was ich gerne können würde: Sie kann Comics zeichnen.

Immer denke ich, wenn ich zeichnen könnte, dann wär alles viel einfacher. Dann könnte man den anderen zeigen, was man sieht und müsste es nicht immer so aufwändig und kompliziert aufschreiben, beschreiben und umschreiben und am Ende sehen sie doch alle was anderes als das, was gemeint war.

Sie ist lesbisch, hat jahrelang einen Comicstrip mit dem Titel Dykes to watch out for in diversen einschlägigen Zeitschriften veröffentlicht, in dem sie aus dem Leben von rund 10 bis 15 Figuren von den Achtzigern bis heute erzählt, alles Lesben und dann im Laufe der Jahrzehnte immer queerere Frauen und Männer, die so aufgelöst in ihren Rollen- und Lebensentwürfen sind, dass es am Ende schon richtig anstrengend ist. Das ist alles ziemlich witzig udn noch vor  the L-Word. Ein bisschen geht’s auch um Sex, aber nicht so viel, wie ich mir das gewünscht hätte, da gibts schließlich noch Klärungsbedarf. Aber im großen und ganzen versteht man da mal die Lesbenwelt.

Es geht viel um Politik (bitte nicht schon wieder George Bush, please!) und um das Milieu in dem sie sich bewegt (Bioladen, community-Treffen, Lesben/Frauenbuchladen). Es geht z.B. um die Frage und den Kampf um die gay-marriage, outings vor Eltern, Adoptionen, Beziehungen, Affären, Jobs, politisches Engagement, Kindererziehung usw. Eine WG, ein stable couple mit double income und kid, ein Buchladen sind so die main locations.

Sie hat Fun Home geschrieben, ein Buch über ihren Vater, der schwul war. Les ich demnächst im Griechenland-Urlaub. Und Are you my mother, ein Buch über ihre Mutter. Und über die Beziehung zu ihrer Psychotherapeutin – eine der wundersamsten Beziehungen dern Welt. Außerdem geht es um Winnicott, einen Psychoanalytiker, der sich auf offenbar äußerst kluge Weise mit Kindheit beschäftigt hat (kannte ihn nur vom Namen her), um Virginia Wolf und ihr Tagebuch, und um die Frage, warum Frauen angeblich immer nur über  sich selbst, während Männer über die Welt schreiben und noch so einiges anderes mehr.

 

 

August 2014 – wohnen kann tödlich sein

ich lese etwas, das ich erwähnenswert finde:
Zille hat einmal gesagt, man kann einen Menschen mit einer Wohnung genauso gut töten wir mit einer Axt.
Ein Architekt in der Zeitung sagt, wir wohnen scheiße. Dunkel, Bäder ohne Fenster, schlechte Fenster, zu klein geschnittene Zimmer,
Fahrstühle für dünne Leute, schlecht isolierte Wände. Ich kann ihm nur beipflichten.

Es gab und gibt hervorragende Architekten, mit großartigen Ideen für Wohnungsbau, Siedlungsbau. Kann man die nicht mal machen lassen? Es muss doch im Jahr 2014 möglich sein, Häuser zu bauen, in denen die Wohnungen gut geschnitten, gut isoliert, ökonomisch und ökologisch durchdacht und für durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Einkommen affordable sind. Ich sehe nur andauernd hässliche Neubauten mit abgeschotteten, balkonlosen, lichtlosen, abweisenden Außenfassaden, Bernauer Straße, Märkisches Museum usw. Trotzdem übersteigt jede Wohnung darin meine Möglichkeiten, mietlich und käuflich sowieso.

Die Löhne steigen nicht. Berlin wird teurer und die Löhne steigen nicht.

August 2014 – diaries

ich bin gerade total obsessed mit Tagebüchern.

Andy Warhols ist so dick wie die Bibel.

Am Ende ist ein Register mit allen Leuten, die erwähnt sind und den Seitenzahlen auf denen man Einträge zu ihnen findet. Oh my God, ich bin in Andys Tagebuch, hat da bestimmt der ein oder andere geschrien. Andy, bin ich in deinem Tagebuch? Ich hab heute Andy gesehen, vielleicht schreibt er mich ja in sein Tagebuch. Lieber ist mir allerdings seine Philosophie von A bis B, da lernt man mehr. Das ist alles ziemlich absurd und witzig.

Alison Bechdel hat von frühster Kindheit an jeden Tag aufgeschrieben, was so passiert ist. Ich bin neidisch, ist das nicht absolut großartig, was für ein Schatz!
anders als ich hat sie das tagebuch nicht zur beschreibung ihrer gefühlslagen ausgenutzt, sondern zur archivierung ihres Alltags. Man sollte das ding ins all schicken, zusammen mit dem anderen kram, der da oben schon rumschwebt. Es war ihr so wichtig, alles aufzuschreiben, festzuhalten, dass ihre Mutter ihr eine Zeit lang die Arbeit abgenommen hat, damit sie Ruhe finden kann. Die kleine Alison saß also abends aufrecht im Bett und hat ihrer Mutter diktiert. Die Mutter hat alles aufgeschrieben, haarklein und genau so wie Alison es ihr gesagt hat. Ist das nicht wunderschön. Was für ein Liebesdienst. Die kommentarlose Stillung des Bedürfnisses eines Kindes.

Wie es wohl sein muss, zu wissen, was man jeden Tag gemacht hat, jeden verdammten Tag seines verdammten lebens von klein auf? Macht es reich und glücklich und eine Menge Erkenntnis oder ist es traurig, weil man sieht wie arm und repetitiv alles ist.

Was man alles vergessen hat. jedes Wetter, jeden Anruf, jeden Lehrer, jede hausaufgabe, jede Begegnung, jede Bahnfahrt, jeden urlaubsort, jede Wohnung, jede, jeden und alles.

Ich mache seit Jahrzehnten einen großen Bogen um meine Tagebücher. sie stehen in meinem SChrank udn ich hab Angst vor ihnen und gleichzeitig Angst, dass sie bei einem Wohnungsbrand umkommen. Wenn ich mir ab und an überlege, was ich schnell mitnehme, wenns brennt, dann sind es die Tagebücher und Fotos.

Eines Tages werd ich mich traun. Dann werd ich reingucken und dann wirds rauskommen. Was für ein dummer, unreflektierter, selbstmitleidiger Teenager ich war, der immer nur gejammert hat bis er Ende zwanzig war. Ab da hab ich dann mündlich weitergejammert. Und jetzt, im hohen Alter, steig ich wieder schriftlich ein.

August 2014 – Fundstück 6

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In meinem Leben hat es mal einen Mann gegeben.

Der hat für mich zwei Pilze an die Wand gesprüht. Zwei Pilze lieben sich, hieß das Bild.

Das lag daran, dass er immer geseufzt und gesagt hat: In meinem nächsten Leben werd ich Pilz.

Das war so ein Spruch von ihm.

Das war das Schönste und Tollste was je jemand für mich gemacht hat.

Trotzdem war ich überfordert.

Irgendwann hab ich die Beziehung beendet. Auf unschöne Art, wie man so sagt.

Ich weiß, dass der Mann sehr unglücklich war. Das tut mir heute noch leid. Manchmal träume ich davon.

Es tut mir leid.

 

August 2014 – Gentri-Falle

Die Gentrifizierung, im Volksmund liebevoll Gentri genannt, lässt sich nicht mehr nur in Vierteln oder an Straßenzügen beobachten, sondern auch in den Shops selbst: Intrinsische Gentrifizierung – so nenn ich dsa!

Gestern bei District Mo. Vor kurzem erst (halbes Jahr, Jahr) haben sie eröffnet. Am Anfang immer schön leer, immer schön freundlich, tolles Essen zu korrekten Preisen.
Lage und Style allerdings vom ersten Moment an mittig kalkulkiert und so kams dann auch wies kommen sollte: Man konnte zusehen – Kamera hinstellen und Zeitraffer drauf – wie die Blume der Gentrifizierung sich entfaltete. Wie der Laden immer voller wurde, immer früher immer voller wurde, wie die Tische ab halb 8 immer öfter Reservierungsschilder bekamen, dann schon ab 6. Wie der Burger ein Euro mehr kostete, dafür aber im Durchmesser 1 cm kleiner wurde, die Süßkartoffeln weniger wurden, die Soße gleichzeitig reduzierter. Wie die Kellner einen Oberkellner bekamen, wie die Reservierungschilder von den Unterkellnern schon ab halb 6 flächendeckend für alle Tische draußen aufgestellt wurden, wie der Oberkellner die Unterkellner immer schlechter behandelte und die Gäste schließlich auch. (Sitz! Platz! Iss! Geh!).
Einhellige Meinung jetzt: da kannste nicht mehr hingehen. Ohne dich zu ärgern. So war’s zum Beispiel auch beim Transit.

I. neulich, zeigt mir in Neukölln wo eine Freundin von ihr wohnt. Ich: Also hier wärs mir aber doch zu krass. Eine Straße weiter, ich: ah, hier merkt man jetzt schon, wies anders wird.
Sie: jaja, ab hier ist schon gentrifziert. Damn it. So ist das. Ein bisschen Gentri ist gut, zu viel ist zu viel und in Nullkommanix ist das Viertel aus der Balance. Und so reden wir alle diesen Müll des modernen jungen akademisch gebildeten Großstadtmenschen. Und wenn ich mir mich anhöre, dann ist es doch unterm Strich das Gleiche, was Eltern und Nazis sagen: Hier wohnen zu viele Türken und Araber, hier ist es gefährlich, hier bist du zu sehr unter anderesgleichen. Nur ich sags nicht, weil ich ja politisch korrekt bin. Aber Fakt ist: Ich will nicht zwischen Frauenunterdrückung, Ehrbegriff und kriminellen Machenschaften leben. Ich will keine Glücksspiellokale, Kinder, wegen denen ich das Jugendamt rufen muss, Männer, die auf arabisch anzügliche Bemerkungen machen und Frauen, die mich nicht anschauen. Ich will Cafes und kleine Läden, ich will da sein, wo Leute sind wie ich und dann gerne noch eine vertretbare Zahl exotisch erträglich Anderer, die mir das Gefühl geben, tolerant zu sein, cool zu sein und in einer offenen Weltstadt zu leben. Die für meine innere Aufwertung sorgen. So siehts aus. Schämen sollte man sich. Alles nicht neu, aber immer wieder: Was soll man machen? Wie soll man sich zu sich, seinem eigenen inneren Rassistenschwein, seinem Ego, das eine gute Wohnlage verdient und der hochkomplexen, globalen Gesamtsache verhalten? Muss man da hinziehen, wo man sich nicht wohlfühlt? Muss man Pionier sein? (Mir fällt Jonathan Lethems Motherless Brooklyn ein, seine Mutter zieht mit ihm und seinem Dad in ein schwarzes Viertel in den 70er Jahren, weil sie findet, dass ihr weißes Kind von Anfang an lernen soll, dass das alles kein Problem ist. Anders, ich weiß, aber irgendwie fällts mir ein).
Neulich hab ich mal gelernt, dass man in den USA auf den Websiten der Immobilien-Makler zusammen mit den angebotenen Miet- und Eigentumswohnungen auch direkt die Kriminalitätsstatistiken, Einkommensverhältnisse und Kinderschänderrate der neighbourhoods abrufen kann.
Vielleicht sollte man auch einfach nie mehr darüber reden? Das Unwort des Jahrzehnts, Gentrifizierung nie mehr in den Mund nehmen? Einfach nicht mehr begründen, warum es einem irgendwo gefällt oder nicht gefällt? Es sind die Nuancen in den Entscheidungen mit denen jeder selber fertig werden muss. Dass es im Endeffekt um was Politisches geht, ist klar, macht einen aber nicht gerade handlungsfähig.

Juli 2014 – Wurst

Ich bin so kreativ wie ne Wurst.
Es ist soo heiß und ich bin soo faul.
Ich starre die Wand an oder den Bildschirm.
Ich kann es blubbern hören, in meinem Kopf. Alles nur heiße Luft.
Ab und an ein Kaltgetränk. Ab und an ein Heißgetränk. Zwischendurch mal ne Erdbeere oder ein Mayonnaisebrot.
Auf Stühlen und Sofas liegen Laken gegen die Nacktheit. Denn anziehen mag ich eigentlich nichts mehr. Und doch kommt es mir gefährlich vor, so ungeschützte Brust. Also doch wieder ein T-shirt, eine Unterhose. Gibt’s kein weites, weiteres T-Shirt, ein frei fallendes Riesen-T-Shirt ohne Hautkontakt? Ich notiere: Weites T-Shirt kaufen, das über den Po geht (dann kann man nämlich auch die U-hose wieder weglassen).
Alles faule Ausreden. Ich hab keinen Bock auf meinen Job.

Juli 2014 – kaufen

Ich bin kaufsüchtig, hab ich das schon erwähnt?
Es ist nämlich so. Je weniger Geld ich habe, umso mehr kaufe ich.
Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt, da ich im Gegensatz zu früher total genervt davon bin, dass ich nie Geld habe. Früher hat mir das nicht so viel ausgemacht, da wollte ich nicht so viel, aber jetzt will ich ständig was und bin beleidigt, weil ich mir, obwohl ich gute Arbeit leiste, nichts leisten kann, weswegen ich aus Trotz, Wut, man lebt nur einmal (Yolo) und ist mir doch egal, alles kaufe, was ich haben will, jetzt. Auch Schwachsinniges und teure Sachen. Dann liegen die Sachen da rum, und ich schick sie wieder zurück oder verkaufe sie auf ebay (obwohl ich das hasse), weil ich Panik kriege.
Außerdem kaufe ich ein, damit ich was zu tun habe und nicht arbeiten muss. Es gibt lange Zettel auf denen steht, was ich kaufen muss. Die muss ich abarbeiten. Da muss ich durch die Stadt laufen und dann noch schnell dahin und da ham sies dann nicht oder nicht so wie ichs will und dann guck ich nochmal im Internet. Dann wird bestellt und abgeholt und dann passts nicht und Umtausch, Retoure und bei der Post ist die Schlange immer so lang. Undsoweiterundsofort. Wie ein Rentner halt ich mich auf Trab. Ich will einfach nicht an den Schreibtisch. Dabei muss ich mir dringend was ganz Tolles ausdenken, was absolut Geniales, super Witziges, einfach Brillantes und es fuck nochmal ABGEBEN!

Wie das alles enden wird, ist klar. Verschuldet auf der Straße, in einer Pfütze aus Kotze und Alkohol. Ihr denkt, ich mein das nicht ernst.

Die perverseste Verquickung seit es Menschheit gibt, Arbeit und Geld, leisten und leisten. Noch nie bin ich, niemals werd ich damit klar kommen.

Juli 2014 – Natur

Also ich mag die Natur nicht.
Da geh ich in den Park, und nehm ein Handtuch mit. Da setz ich mich. Schön unter einen Baum, zieh Schuhe und Strümpfe aus, schlage mein Notizheft auf, lege mein Handy zurecht, nehme ein Buch aus der Tasche, und zack – hängt irgendwas Schwarzes, Sülziges an meinem Fuß. Ich wisch es weg, denke, irgendein Dreck von der Straße, hochgeflogen von meinen Boots, in dem Moment kommt mir der Gedanke, vielleicht Vogelscheiße. Über mir im Baum ist ein ziemlicher Vogellärm. Neben mir im Gebüsch raschelt es ebenfalls. Ich guck, obs ne Ratte ist, nein, ein Vogel. Okay, also Vogelterritorium. Trotzdem. Ich muss ja auch irgendwo hin.

Da lese ich ein bisschen (Alison Bechdels neuen Comic Are you my mother), da schreibe ich ein bisschen (lustloses Gekritzel) und zack – kackt mich jemand von oben an. Diesmal aber eindeutig. Dicke schwarze Vogelscheiße, halb auf dem Handtuch, halb auf meinem schneeweiß-karierten Notizbuch. Auf dem Notizbuch der eher flüssige Teil. Disgusting!

Ich versuche nichts anzufassen, erinnere mich an meine Cousine, die als Kind einen schrecklichen Ausschlag hatte, weil sie eine Vogelfeder angefasst hatte. (Und es hat ne Weile gedauert, bis man drauf kam). Außerdem die berühmte Geschichte vom Oberbürgermeister aus München, dessen Frau sich die Taubenkrankheit eingefangen hatte und daran gestorben war, woraufhin ihr Mann alle Tauben in der Stadt vernichten ließ. So die Mär in meinem Kinderkopf. Hat mich immer beeindruckt, diese Geschichte. Der Mann kam mir vor wie ein griechischer Gott, ein Racheschwert schwingender, weil zutiefst und schmerzlich verletzter, liebender Mann. Ich hab ihn brüllen hören in seinem Schmerz und auf und ab laufen und den Tauben die Faust entgegen recken sehen in seinem Rathausturm hoch über der Stadt.

Jedenfalls reichts mir. Ich geh ins Cafe und wasch mir die Hände und den Fuß. Das Handtuch hab ich, Vogelscheiße nach innen, zusammengerollt in die Tasche gesteckt. Als ich den Bechdel-Comic öffne, liegt ein zerquetschtes Kleinvieh auf Seite 3. Irgendein Käfer, eine Mücke, eine Wanze, was ist das für Zeug? Zerquetscht im Comic, was für eine Ironie. Ich muss an Mickey Mouse denken, die jede Quetschung überlebt hat, gattungs- und stilprägend bis heute. Nicht so dieses dumme Vieh. Was bleibt ist ein störender Fleck.
Natur, Natur, was soll das sein.

Juli 2014 – fatzebuck

Ich bin jetzt bei facebook. Aber ich kann da nix posten, dazu bin ich viel zu schüchtern. Das ist ja als ob man auf eine Bühne tritt, alle gucken einen an, sehen, wie man aussieht, und dann muss man eine Rede halten, sich präsentieren. Ein Alptraum. Alle kriegen mit, dass man da ist, was man denkt, und was einen so interessiert. Man sagt seine Meinung. Grässlich.
Ich will nur abgreifen. Aber das ist so egosau-mäßig, das kann man irgendwie auch nicht bringen. immer nur feige gucken, was die anderen so interessiert.
komisch finde ich die Unübersichtlichkeit, man weiß nie, wer sieht denn jetzt was wo automatisch oder absichtlich. sehen alle meine freunde, was ich sehe, sehe ich alle freunde von allen, was ist home, was ist chronik, was ist okay, was ist nicht okay. ist das eine private unterhaltung, äh, nein, das ist ein kommentar. kriegen die anderen mit, wenn mir jemand jemand vorschlägt und ich den dann ignoriere? ich will gar nicht so viel Freunde. ich muss dann ja noch mehr aufpassen, was ich nicht sage.