Als ich am frühen Abend nach Hause komme, steht der Mann meiner älteren Nachbarin in Bademantel vor seinem SUV in der Feuerwehreinfahrt. Der SUV ist der größte, den ich je gesehen habe, alle Türen sind sperrangelweit geöffnet. Im Auto stehen haufenweise Kisten und Gegenstände, die er nach irgendeiner Logik vom Kofferraum auf die Rückbank und wieder zurück räumt. Als er mich sieht, kommt er auf mich zu und ergreift die Gelegenheit, mich von der Seite anzuquatschen. Ob ich einen Schlüssel für die Feuerwehreinfahrt habe? Die Feuerwehreinfahrt ist ein breites Tor, das in unseren Hof führt, in dem Parken nicht erlaubt ist, in dem aber trotzdem immer irgendwelche Pappenheimer parken und morgens um 7 alle aufwecken, weil sie den Zündschlüssel umdrehen und das Motorengeräusch die Wände hochwummern lassen. Er ist also einer dieser Pappenheimer!
Ich: Nö.
Er hatte einen Schlüssel, aber der ist abgebrochen. Er hält den abgebrochenen Schlüssel hoch. Der Anblick des abgebrochenen Schlüssels löst in mir nicht die gewünschte Reaktion aus. Er setzt noch einen drauf, deutet die Straße rauf und runter, kein Parkplatz, seine Frau krank. Warum er nicht einfach zur Wohnungsbaugesellschaft geht und fragt, ob er einen nachmachen kann, will ich wissen. Er murmelt irgendwas Unverständliches, gestikuliert ein bisschen, so dass ich mir schon Sorgen mache, ob der Bademantel auch hält, und hat dann einen besseren Vorschlag. Ich könnte zur Nachbarin im Nebenhaus gehen und ihr sagen, dass ich den Schlüssel für den Hof brauche. Die hat nämlich einen. Und wenn sie ihn mir dann gegeben hat, so erläutert er mir weiter unseren Plan, dann gebe ich ihn ihm und dann macht er den Schlüssel für sich nach. Ich frage, warum er denn nicht zur Nachbarin geht. Er hat aktuell nicht das beste Verhältnis zu ihr, warum ist ja jetzt egal. (Wahrscheinlich weil er einer der Pappenheimer ist, die immer im Hof parken und damit wiederum ihr ihren Pappenheimer-Parkplatz wegnimmt.).
Irgendwie tut er mir leid. Für mich wirkt er so unfassbar aus der Zeit gefallen mit seinem riesigen Auto mit dem er alle paar Wochen in einer halben Stunde von München hier hochbraust (mein Verdacht ist ja, dass er dort eine nicht-kranke Zweitfrau hat), dabei: was soll er sonst machen, wie soll er einkaufen und der Frau alles vorbeibringen, was sie braucht. Ich wiederum muss ihm sowas von dumm und schwer von capé vorkommen, weil ich nicht begreife, dass sein Bedürfnis das logischste und normalste von der Welt ist, weil in dieser Welt alle ein Auto haben und Parkplatzprobleme und man sich da doch unterstützen muss.
So stehen wir
und so gehen wir
auseinander.
Trotzdem, ich mag ihn. Wo sonst kriegt man hier in Mitte einen Nachbarn in Bademantel und Puschen zu sehen. Er ist mit Abstand der coolste SUV Fahrer hier.