Januar 2015 – Religion

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Gleichzeitigkeiten

4. Januar:

Religion ist Wellness. Sagt die Welt am Sonntag, das Werbeblättchen. Jeder braucht doch was Spirituelles, ein paar Werte, Yoga, Flat White, glutenfreie Nahrungsmittel. Ein bisschen Religion gehört zum guten Ton. Vom Hipster bis zur Oma. Jeder kann mitmachen.

Religion ist (zivilisatorisch-kulturelle) Bedrohung. Siehe oben rechts. Houellebecq spricht über sein neues Buch: Die Unterwerfung. Der Titel spielt mit dem islamischen Glaubenskonzept der Unterwerfung einerseits, andererseits mit der Frage nach „unserer“, also der westlichen Unterwerfung unter den Islam, der in Europa ja bekanntlich „auf dem Vormarsch“ ist. Sind wir schon unterworfen, werden wir unterworfen sein – wenn nur der richtige charismatische Politiker daher kommt, der es schafft, die richtigen Gruppierungen unter einen Hut zu bringen. (Das ist die gute near-topia Idee des Buchs). Und: Vielleicht ist das gar nicht so schlimm? Gut, die Frauen werden nicht mehr so leicht zu haben sein, aber vielleicht trägt ja auch das zur Entspannung bei. So sinniert/lässt Houellebecq weiter sinnieren.

15. Januar:

Religion ist Mord. Zwölf Tote bei Charlie Hebdo. Reingelaufen, Leute erschossen.

Religion ist Wahnsinn.

16. Januar:

Religion ist Politik. Nicht nur Al Kaida, nein,vor allem der IS war’s. Wer zur Hölle ist der IS? Woher hat er seine Waffen? Wieso hören wir zum ersten Mal von denen?

Januar 2015 – Fernweh

Am ersten Abend des neuen Jahres gehe ich ins Kino (Am. Indep. Filmfestival, Babylon Mitte).

Zwei Rentner in Island. Beide natürlich ein bisschen angeschlagen, vom Alter im allgemeinen, vom Renteneintritt, der kürzlichen Scheidung im besonderen. Jeder auf seine Weise, melancholisch der eine, bacchantisch der andere. Wer könnte das nicht verstehen.

Der Film ist ein bisschen schwach auf der Brust, aber das macht nichts, man lehnt sich zurück und guckt Island. Karstige Landschaften, Irland kommt mir in den Sinn, ohne je da gewesen zu sein (ist ja auch nur r und s vertauscht), viel Wasser, Kälte, Diesigkeit, Dunkelheit, Greyness, aber auch saftiges Grün, selbsttätige Erde, kletternde, mit Fell bepackte, dampfatmende Tiere.

Ich kriege Fernweh.

Fernweh ist das Heimweh der Heimatlosen.

Die Endjahresbilanz fällt eher trocken aus. Mutig gewesen, nicht belohnt worden. Geld verlangt, nicht bekommen. Neue Jobs versucht, nicht bekommen. Im Ausland gewesen, zurück gekrochen.

Also gut, Leben, Universum, machen wir einfach weiter, ohne was zu wollen. Wenn es das ist, was du willst.

Und hauen ab, büchsen aus, tauchen ab, drunter weg, schlagen Schnippchen, so oft es geht. Denn Glück gab’s im Urlaub.