März 2019 – Eheringe

Kapier ich nicht. Zu laut, zu dick, zu breit sitzen sie plötzlich immer öfter auf den Fingern meiner Freunde. Sehen absurd aus, da, Fremdkörper im Handgemenge.

Menschen mit Geschmack tragen plötzlich Ringe aus Gold, die ihnen die Finger zur Wurst quetschen, die nicht zum Teint ihrer Haut passen oder zu ihrer sonstigen Kleidung. Diese Ringe sollen einem irgendwas sagen. Irgendwas, was man gar nicht wissen will, was einen nichts angeht.

Da gibt dir jemand Feuer oder reicht dir ne Kaffeetasse oder streicht Krümel auf dem Tisch zusammen – und jedes Mal: a glimpse of it. Der Ring, der Ring. Ihr Gollums. Jedes Mal bleibt man für ne Millisekunde dran hängen, an diesen Wichtigtuern. Ständig komm ich aus dem Takt, vom kurzen Goldgeblitze, und denke, was wollt ihr von mir, lasst mich doch in Ruhe damit. Schmuck ist Schmuck, der blitzt auch mal, den kann man hässlich finden oder schön oder egal. Aber ein Ehering ist ein Ehering, oh ein Ehering.

Ich verstehe, dass man auf die Idee kommt, zu heiraten. Ich verstehe, dass man sich signalisieren will, dass man füreinander da ist, dass das, was man miteinander hat, was Wichtiges, ernst zu nehmendes ist. Ich verstehe, dass man Verantwortung übernehmen will, auch über eine Trennung oder den Tod hinaus. Aber muss ich dieses Privatzeug ständig unter die Nase gehalten bekommen? Könnt ihr die Ringe nicht einfach in die Schublade packen, dahin wo das Testament liegt, oder sie an die Patientenverfügung tackern oder unter die Lebensversicherung legen oder zwischen die Reizwäsche oder auf den Ausdruck des Dating-Profils wegen dem ihr euch kennen gelernt habt? Oder nehmt doch wenigstens Ringe, die das für euch bedeuten, was sie für euch bedeuten sollen, denen man das aber nicht dauernd ansieht.