Dezember 2014 – L.

Treffe mich mit L.

Freu mich immer sehr über sie und dennoch ist es nie eine gute Idee. Danach gehts mir immer schlecht. Ich denke an das erste Mal als ich sie gesehen habe. Da war schon alles klar. Da war klar, dass sie es schafft, und ich nicht. Dass sie schön ist und ich nicht. Dass sie anders ist als ich und ich nicht. Dass sie  jung ist und alles vor sich hat und ich nicht. Dass sie Talent hat und ich ein bisschen was kann. Ich weiß, dass sie es manchmal nicht sieht, und es ihr nicht gut geht, aber das macht die Sache nicht besser, nicht einen Deut. Ich bin ihr nie böse, das kann man gar nicht, dazu ist sie bei allem jung und schön viel zu schlau, aber es tut mir nicht gut,  wenn ich sie sehe, und dann denke ich, ich sollte sie nicht mehr treffen. Das macht mich dann traurig.

November 2014 – Aura

Im Spielzeugladen in den Schönhauser Allee Arkaden, ich stehe, Mission Geschenk kaufen, vertieft ins Angebot vor einem Regal. Spricht mich eine Frau an. Sie ist jung, Mitte 20, hat lange braune, gut frisierte Haare, ein ansprechendes Gesicht. Sie trägt enge blaue Jeans und eine taillierte Steppjacke:

Entschuldigen Sie, wissen Sie, wo die hier Brettspiele haben.

Nein, tut mir leid,, sage ich und lächle sie an.

Sie haben eine sehr positive Aura, sagt die junge Frau.

Einfach so. sagt sie das. Ich bin total überrascht. Danke, sage ich und lache. Ich freu mich.

Nein, wirklich, sagt sie, das sieht man, das ist schön.

Danke, sage ich. Es ist nett, sowas zu hören.

Möchten sie mehr darüber wissen?

Jetzt, aber wirklich jetzt erst, fällt bei mir der Groschen.

Ich könnte Ihnen aus der Hand lesen, sagt sie wie zur Bestätigung.

Wow. Ich bin total perplex. Nie hätte ich gedacht, nie, dass das darauf hinausläuft. Dabei halte ich mich in Sachen Streetstyle-Anmache für relativ abgebrüht, begegne diesen Dingen alltagsroutiniert Berlin flow eben, unterwegs in der Stadt.

Nein, danke, sage ich.

Zwei Tage später, Schönhauser Allee Arkaden.Ein junge Frau, Mitte zwanzig, lange schwarze Haare, gut gekleidet, von Altenpflege-Ausbildung bis Wirtschaftsschule ist alles drin, fragt mich im Vorbeigehen: Möchten Sie, dass ich Ihnen aus der Hand lese?

Okay!, ein neues Konzept, eine neue Ära in der Geschichte der Straßenverkaufsmethodik. Junge, vom Schmuddelimage so weit wie möglich entfernte Sinti- und Romafrauen, die den Laufkundinnen in den Schönhauser Allee Arkaden anbieten, aus der Hand zu lesen. Wie oft klappt das, was kostet das, wo geht man hin mit denen, macht man‘s gleich hier vor Ort oder geht man hinters Haus? Damn, ich bin zu feige, das auszuprobieren. Denn natürlich frage ich mich: Was hätte sie in meiner Hand gelesen? Und was hätte sie gesagt, wenn sie mit einem Blick in meine Hand gesehen hätte, dass meine Aura alles andere als positiv ist?

Well, das hat sie längst gewusst.

 

 

November 2014 – Licht schlucken

Johanniskraut gibts jetzt auch verschreibungspflichtig und deshalb hochdosiert oder andersrum. Letztes Jahr hat mir die Therapeutin bei der ich dann nicht war, Laif 900 aufgeschrieben,

dieses Jahr nehm ichs.

Meine Schluckhemmung (idiotischer Tick, ich kann keine Tabletten schlucken) bekämpfe ich mit Selbstsuggestion. Ich schlucke das Licht, sage ich in meinem Kopf und schubse  dabei die Tablette von unter der Zunge mit Flüssigkeit nach oben und dann gehts meistens in einem Rutsch runter.

Aber ein paar von den teuren Dingern hab ich auch schon verschwendet und wieder ausgespuckt, wenn sie zu lange im Mund rumschwimmen fangen sie an, sich aufzulösen, das schmeckt zum Kotzen bitter. Und dann klebt das braune Innere in der Spüle und das Gelbe wird blass, aber mit dem Mantra krieg ich sie jetzt meistens runter.

Also Licht schlucken dieses Jahr, mal schauen. Keine Belastung sein. Und doch nicht gleich mit Citalopram die Blut-Hirnschranke durchbrechen und FETT werden,  meine Nebenwirkungs-Hauptangst, zu meiner ehrlichen Überraschung .