März 2017 – Käse 2

Am S-Bahnhof Alexanderplatz gehe ich in einen dieser Convenient-Stores um eine Butterbrezel zu kaufen. Ein Typ, eher so Friedrichshain, steht neben mir, spricht die Verkäuferin an (die Verkäuferinnen hier allesamt gefühlt eher so Flüchtlinge, die glücklich sind, für 3 Euro Stundenlohn Arbeit zu haben, wahrscheinlich hat ihr Chef Förderung für  ihre Einstellung bekommen, ohne dass sie es wissen), und sagt, auf Krawall gebürstet: Der Käse ist hier ja teurer als die Wurst!

Die Verkäuferin versteht nicht, erläutert hilfsbereit die Preise: Das Käsebrötchen kostet 2 Euro 80, das Wurstbrötchen 2 Euro 10.  Genau! sagt der Typ aufgeputscht, der Käse ist teurer als die Wurst, Vegetarier werden hier voll diskriminiert! Um seiner Empörung noch mehr Verve zu verleihen, dreht er sich auf dem Absatz um und rauscht, leicht zitternd, weil er so mutig politisch den Mund aufgemacht hat, ab.

Das ist also das Problem. Vegetarier werden diskriminiert. Der Skandal ist nicht, dass das industriell erzeugte, mehr oder weniger qualvoll getötete und zu appetitlichen Scheiben verarbeitete LEBEWESEN auf dem Brötchen liegt und GÜNSTIGER ist als der Käse, ein von diesem Lebewesen erzeugtes, industriell gewonnenes Produkt, das von Menschenhand und Menschenkenntnis in komplexen Prozessen bearbeitet wurde.

Dass hier, in dieser Convenient-Store-Vitrine der Kapitalismus in seiner ganzen perversen Logik sich aufführt wie auf einer Theaterbühne, zu der alle und alles Anwesende dazugehören, das ist nicht der Skandal. Nein. Der Skandal ist: Vegetarier werden diskriminiert! ER wird diskriminiert. Er als Individuum in seiner freien Entscheidung für einen Lebensstil wird benachteiligt.

Go fuck yourself, Vegetarier! Geh heim und denk nochmal nach.

März 2017 – Käse 1

Ich kaufe ein. Lebensmittel. Bei der Bio Company.

(Kein Fan dieses Ladens. Bis heute widert mich der Geruch von Bioläden an. Konnte ich schon in den Achtzigern nichts abgewinnen, diesem Geruch. Damals, als die ersten zugestopften Bioläden aus dem Boden sprossen, ich war dabei. Eng und vollgestopft waren sie, braune Holzregale bei denen man die Astlöcher sehen konnte. Die Schönheit der Natur. Und draufgestapelt auf den Regalen Vollkornmehl-Tüten im sanften Waldorf-Design. Nicht mal die Supermarktisierung des Bioladens, der Bio-Discounter hats geschafft, diesen Geruch loszuwerden. Und aus mir einen Fan zu machen. Oder wollte es gar nicht, hat womöglich den Geruch noch extra reingepumpt, weils zum Marketing dazu gehört und alle außer mir den Geruch ganz toll finden: Gesund und gut. „Natürlich“. Natürlich nervt, kommt immer daher, als wärs natürlich, dabei ist es nur ein Konzept. Was riecht da so, frage ich euch, was?! Dinkel? Vollkorn? – Der Geruch geht auf wie die Schiebetür, durch die man den Laden betritt, umfängt einen ganzheitlich, und ist weg, sobald sie sich wieder hinter einem schließt. Und wenn ich ne Augenbinde aufhätte, ich wüsste, dass ich im Bioladen bin!)

Es ist so halb 6. Alle anderen kaufen auch ein. Ich will nur ein paar schnelle Sachen, ungeplant, impulsiv, kalte Küche. Zum Beispiel Käse. Ich will Käse! Gehe zur Vitrine, wo die Stücke alle griffbereit in Cellophan verpackt rumliegen (wer verpackt eigentlich wann diese Käsestücke, geschieht das in Nachtarbeit?) Ich nehme ein Stück in die Hand, drehe es um, und schaue auf den Preis (die liegen alle so, dass man sie umdrehen muss, um den Preis zu sehen). Ich nehme jedes, ich schwöre, jedes verdammte Stück Käse in die Hand, und drehe es um, ich arbeite mich von den Höhen des Edelschimmel-Bergkäses aus Rohmilch mit Heuwiesenrand hinunter ins weißliche Honigziegenkäsetal bis zu den Niederungen des jungen Goudas, also des gemeinen KINDERKÄSES, und finde nichts, nichts! unter 4 Euro 20. Das ist, mit Verlaub, ein Arschvoll Geld. Für Stücke, die in meine Handfläche passen, und ich habe NICHT die Handflächen eines Gorillas.

Ich nehme einen mittleren Käse mittlerer Preisklasse, staple ihn zu den anderen losen Sachen auf meinen Arm: eine Packung Tee, eine Tafel dunkle Schokolade, eine Zucchini, eine Packung Bierschinken. Als ich zur Kasse gehe, und die Schlange wie immer sehr lang ist und voller Menschen, die hier vor allem eins einkaufen, nämlich Distinktionsgewinn, und der Typ hinter der Kasse wie immer sehr langsam ist, und es wie immer für sehr unnötig hält, eine zweite Kasse aufzumachen, da hier im Bioladen gilt: Bloß kein Stress für Mensch und Tier, außer für den Menschen, der stundenlang ansteht, da hole ich meinen Geldbeutel und mein Handy aus meiner Schultertasche und, was soll ich sagen, das Stück Käse wandert dabei in die Tasche und kommt da auch nicht mehr raus.

Vor der Schiebetür (Geruch erfrischend asphaltig abgasig hier draußen, ich atme auf) steht eine Motzverkäuferin und für einen Robin Hoodschen Moment gefällt mir die Vorstellung, ihr den Käse zu schenken. Aber jetzt, nach Jagd, Beute und Triumph, siegt meine Überheblichkeit, und ich denke: Ich hab meinen eigenen Überlebenskampf, baby.

Als ich zuhause den Käse esse, schmeckt er

SAU! GUT!

März 2017 – von wegen Nordpol

Zähne im Mund. Machen mir, machen uns einen Strich durch die Rechnung. Wurzeln müssen behandelt, Schmerzen mit Antibiotikum ausgemerzt, Stornierungen getätigt, Enttäuschung verkraftet werden.

B. sagt: Wer weiß, wozu’s gut ist.

Im September, im September soll der Nordpol noch schöner sein. Hauptsache, die Zitrone steht noch.

März 2017 – Bettina

Im Secondhandladen finde ich eine Tasche.

Es ist eine Handtasche. Der Schultergürtel schmal und lang, das Leder in einem hellen, warmen Braunton. Eher groß. Für eine Handtasche. Vorne auf der Klappe, die die halbrunde Form bedeckt, ein paar stilisierte Blüten aus abgesetztem Leder und ein paar weiße Perlen. 80er. Ganz klar.

Ich gucke rein in die Tasche und finde in der vorderen Innentasche: Eine Nadelhaarspange in Neongrün, das Metall zur Verzierung leicht gedreht, in der hinteren Innentasche: Einen Fahrradschlüssel für eine Sorte Fahrradschloss, die es heute nicht mehr gibt, weil zu lächerlich, sowie eine in eins dieser praktischen Plastikquadrate verpackte Slip-Einlage Größe L. Das Innenfutter der Tasche ist mit einem musterartig wiederkehrenden Wort  – offenbar die Marke – bedruckt: Bettina Bettina Bettina.

Mein Herz fliegt der Tasche, fliegt dem Mädchen zu, dem sie gehört hat.

Ihre Mutter hat sie ihr geschenkt. Eine ordentliche Tasche. Aus Leder. Vielleicht haben sie sie zusammen ausgesucht. Guck mal, die ist doch toll. Vielleicht haben sie reingeguckt und gelacht: Und dann heißt sie auch noch wie du! Auch die Verkäuferin hat sich gefreut. Dass sie Mutter und Tochter gut bedient, einer schönen Situation beigewohnt hat. Heute war eine Mutter mit ihrer Tochter im Laden. Die junge Frau hatte Geburtstag.

Bettina hat sich gefreut über die Tasche. Sie hat Komplimente bekommen dafür, von ihren Freundinnen. Die ist ja stark, haben sie gesagt, denn es waren ja die 80er. Bettina hat die Tasche gern benutzt. Man konnte sie quer über dem Oberkörper tragen, dann war sie praktisch, oder nur über einer Schulter, dann war sie schick. Man konnte sie zu Jeans und adidas-Turnschuhen anziehen, und damit auf dem Fahrrad zu den Pferden rausfahren. Oder zum lila Hosenanzug mit Gürtel und Stiefelchen, dann konnte man damit ausgehen, in die Disco. Mit der Tasche ging alles.

Ich weiß viel über Bettina. Sie war groß. (Nur großen Mädchen stehen große Handtaschen. Länge des Schultergurts. Slip-Einlage Größe L). Und blond. (Farbe von Tasche- und Haarspange). Sie war ein fröhliches Mädchen, kein dunkles. (Blumen und Perlen). Sie kam aus gutem Elternhaus. (Leder. Anstand.). Manchmal hat sie ihre langen Haare mit der Spange zur Seite gesteckt, und bevor sie zum ersten Mal Sex mit ihrem Freund Rainer hatte, ist sie mit ihrer Mutter zum Frauenarzt. Der Rainer hat ihr damals auch das Fahrradschloss aufgesägt, als der Schlüssel einfach nicht mehr aufzufinden war. Entspanntes Verhältnis zum Frausein. Zu Bewegung. Zu Geld.

Eines Tages, Bettina hatte längst einen Beruf, vielleicht als Logopädin oder Ärztin, ein Kind, und einen Mann, und war schon lange nicht mehr bei den Pferden, da hat sie die Tasche in den Kleidercontainer gegeben. Ganz schnell ist die Entscheidung gefallen, denn wenn Bettina sich mal entschieden hat, dann geht alles ganz rasch. So, die kann jetzt auch mal weg, hat sie gedacht, und das Ding weggepackt, ohne nochmal genau reinzuschauen. Zusammen mit anderen alten Sachen hat sie sie in eine Tüte gepackt und ist auf dem Weg zum Einkaufen mit dem Auto beim Altkleidercontainer vorbei gefahren, das Kind auf dem Rücksitz. Alles noch gute Sachen, gepflegt und in Schuss, sauber, wie ihre von Slip-Einlagen geschützten Unterhosen. Aber irgendwann muss man sich auch mal trennen.

Und jetzt ist sie hier, die Tasche. Im Secondhandladen. Bei mir. Die Tasche steht mir überhaupt nicht. Passt einfach nicht zu mir. Ist klar, oder.

Ich kauf sie.

Februar 2017 – Olle Kamellen 1

Beim Stöbern in alten Ordnern (digitalen), finde ich Texte von 2010 und 2012, die mich an die Einträge hier erinnern. Wackeleinträge also bevor es Wackel gab. Na, sowas. Anscheinend voll meine Form.

Da mir aktuell gerade sowieso nicht die Tastatur unter den Nägeln brennt, kommen sie hier, die ollen Kamellen:

 

Männer auf Messen

(toller Titel, aber offenbar bin ich nicht weit gekommen)

 

17.März 2012 

„Barbara“ von Christian Petzold

Du liebe Zeit, hier ist ja alles unter Kontrolle. Jede verdammte Szene, ich krieg keine Luft mehr. Da gibt es Räume und in den Räumen stehen Menschen und dann sagt jemand was und dann ist Pause und dann sagt jemand anderes was. Und ich denke die ganze Zeit über ihre Handtasche nach, sowas kostet auf dem Mauerpark-Flohmarkt 50 Euro, aber so gut erhalten ist die dann noch lange nicht, wo kriegen die bloß immer diese Sachen her?

Ich kann sehen, dass es in der DDR entweder Leute gab, die weg wollten oder Leute, die sich kaufen ließen oder Leute, die richtige Böslinge waren wie der Stasi-Mann und die Hauswarts-Hexe. Am Ende opfert sich Barbara für das junge, schwangere Mädchen und verbleibt in der Regime-Hölle, um Leben zu retten, was für ein cheesy Fernsehspiel-Ende. Ich komme ohne Erkenntnisse und Fragen aus dem Kino. Wo ist die Abstraktion von Wolfsburg, Die innere Sicherheit, Gespenster, von mir aus auch Yella geblieben? Und warum ist das jetzt der beste, den Petzold je gemacht hat? Ist der schlechteste.

 

8. März 2012 

Eine Frau, Typ „Lehrerin Mitte 50“ überreicht mir auf den Gleisen der U-Bahnhaltestelle Moritzplatz eine kleine rote Rose. „Heute ist Internationaler Frauentag“. Ich nehme die Rose entgegen und bedanke mich, und ich weiß nicht warum, aber ich muss schlucken. Weil mich die Solidarität übermannt oder sowas. das Gefühl, zu ihr zu gehören, etwas zu wissen, was sie auch weiß, über alle Grenzen hinweg. Ich versuche, die Frau zu scannen und zu verstehen, was sie dazu veranlasst, Rosen zu verteilen – ein Mädchen, gerade mal 20, bekommt als nächstes eine – als sie weitergeht, sehe ich, dass die Rosenverteilerin einen SPD-Flyer unterm Arm trägt. Wie gesagt, über alle Grenzen hinweg. Ich weiß, dass der 8. März Internationaler Frauentag ist, aber heute hab‘ ich’s vergessen, und ich bin dankbar, dass sie mich daran erinnert hat. In der Bahn schaue ich mir das 20jährige Mädchen an, das es auch dorthin verschlagen hat, wir beide stehen da, mit unseren Rosen und sie ist ’ne Frau und ich auch. Und die SPD-Frau Typ Lehrerin auch. Stell die Verbindung her.

Es gibt ein Foto von mir, wenn ich es in die Finger bekomme, schäme ich mich immer ein bisschen dafür, auf dem stehe ich mit lauter offensichtlich frauenbewegten Frauen hinter einem Transparent, auf einer Demo zum Internationalen Frauentag. Aber wieso schäm ich mich eigentlich dafür? (Vielleicht für die Offensichtlichkeit. Das Klischee, das ich abgebe. weniger für den Inhalt).

Ich gehe Zeitung lesen. In der Süddeutschen Zeitung steht kein einziger kleiner Artikel dazu. Die haben das vergessen, genau wie ich. Kein auch noch so kleiner Artikel zu Häuslicher Gewalt, Klitorisbeschneidungen, Ehrenmorden, ungleichen Löhnen, Vergewaltigung, Quotendebatte, Witwenmorden, Zwangsehen, Abtreibungen von Mädchen, Zwangsprostitution oder ähnlichem. Nichts, nada, nothing? Come on!

Ein Freund erzählte mir kürzlich, dass er mit seinen Anfang Zwanzigjährigen Studierenden Cindy Sherman besprochen hat. Als er von Feminismus sprach, hatte er das Gefühl, das ist für die ein sehr altes, sehr überholtes Konzept. Ich kann alles machen, was ich will, hat eine junge Frau zu ihm gesagt. Wenn die wüsste.

 

6.März 2012

“Young Adult” mit Charlize Theron

Young Adult ist eine Verteidigung der allein lebenden Frau, die sich für Beruf und Single-Apartment in der Großstadt entschieden hat und gegen eine Familie. So ein Leben ist hartes Brot. Man wird Alkoholikerin, Erfolg ist relativ und bleibt mäßig, man kratzt an Türen, fällt in Löcher, und ab und zu schiebt man morgens irgendeinen Männerarm weg, der sich um einen geschlungen hat, ohne etwas zu bedeuten. Aber hier geht es nicht um Glück, sondern um Abgrenzung! Das ist hier der Wert.

Sehr schön, wie sich der Film aus seiner selbst gebauten Kitschfalle heraus erzählt. Babys bekommen, noch dazu in der Provinz, das kann nicht die Lösung sein, schon gar nicht für alle und jede. Die Hauptfigur darf unsympathisch sein und wird nicht geläutert. Wir dürfen zugucken bei den Mühen der Verwandlung, dabei, wie sie sich immer wieder aufs Neue ihrer verschlampten Jogginghosen entledigt, die 37 übertüncht und sich in ihren Lady Look wirft wie in eine alte, solide Uniform mit der sie in den geplanten Feldzug zur Eroberung ihrer alten High-School-Liebe zieht.

Noch schöner, dass die ehemalige High-School-Beauty hier nicht das ist, was wir sonst von ihr erzählt bekommen: Die unglückliche Ehefrau, die an der Seite ihres Mannes, dem ehemaligen Football-Star und Frauenschwarm der Schule, all ihren Glanz verloren und wegen der beiden Kinder ihre Figur eingebüßt hat. Hier hat die Beauty sich aufgemacht, ihr Scheißkaff zu verlassen und in der großen Stadt Karriere zu machen, verdammt nochmal.

 

1.Mai 2010

Neulich im Manolo. Neben mir am Tisch sitzt ein dicker Dick-Brillenträger mit zwei leckeren jungen Dingern. Sie beugen sich über einen Computer und sprechen engagiert über Produktdesign und Käufer und Präsentationen, die Mädels nicken und antworten verständig und interessiert, die eine mehr, die andere weniger. Grundsätzlich werden Signale gleichschwingender Kommunikation signalisiert, wie es zu Beginn eines großartigen gemeinsamen Projektes üblich ist. Der Dick-Brillenträger spreizt die Beine, damit er seine Dick-Eier besser baumeln lassen kann. Ich spitze die Ohren und erfahre, dass es um eine hochinteressante neue Produktlinie geht, die Karma-Konsum heißt. Mein Gott, denke ich, ist das brillant, Karma-Konsum. Ich habe sofort die angenehme grüne Farbe vor Augen und das intelligente Design und die aus der Region stammenden Produkte, die ich auch gerne hätte, weil ich sie ohne Gewissen konsumieren kann. Als Geschenk sollen jetzt massenweise sauteure Kissen an irgendwen verschickt werden. Die Mehr-Engagierte erzählt, dass sie sich auch immer Bettwäsche für 100 Euro kauft und ich denke, wow, Bettwäsche für 100 Euro, und der Dicke stellt die richtigen Fragen: Sehen die sich mehr als Hersteller, als Berater oder als Verkäufer, und es wird nochmal klar, warum er der Chef ist. Die Weniger-Engagierte wird so langsam immer schweigsamer und entwickelt einen sympathischen Frust, weil die andere sich so gut mit dem Dick-Brillenträger versteht und schönere Haare hat. Dann kommen die Mehr-Engagierte und der Dick-Brillenträger auf Hartz IV Empfänger zu sprechen. Die heizen, und reißen gleichzeitig die Fenster auf, und das Arbeitsamt muss dann 5000 Euro dafür zahlen. Die wollen nicht arbeiten, weil die kriegen Miete, Krankenkasse und 350 Euro und kommen so locker auf 1000 Euro im Monat. Ich rechne heimlich nach. Die Weniger-Engagierte verabschiedet sich dann mal so langsam, denn eins ist klar, nach der Besprechung ist das Wochenende futsch, denn heute ist Freitag und am Montag früh muss spätestens alles fertig sein. Aber später soll nochmal geskypet werden. Die Mehr-Engagierte und der Dicke bleiben übrig und gehen dann auch, weil die Mehr-Engagierte vorschlägt noch gemeinsam irgendwo hinzugehen und sich irgendwas anzuschauen. Sie zieht ihre Sonnenbrille auf.

 

18. August 2010: Heute hatten wir Besuch. (Anm.: Damals hab ich  in einer WG gewohnt.)

Heute hatten wir schon wieder Besuch, aber diesmal von jemand anderem. Der Besuch heute war mal richtig interessant. Er erzählte von Orestie von Aischylos. Man muss an Seifenopern denken. Und die Chöre – die Chöre sind toll! Sie sind sich einig, uneinig, sie haben Macht und fühlen sich machtlos und im Grunde ist das alles sehr verständlich.

Allerdings ist es schon sehr seltsam, was da sonst so los ist, zum Beispiel Athene, sie war eine Vatergeburt! Hat man sowas schon gehört.

Ich nehme mir vor, mir auch einen Chor anzuschaffen. Das ist besser als ein Hund. So ein Chor ist immer dabei, verbalisiert die verschiedenen Aspekte in meinem Kopf, hält mich ständig auf Trab, nervt, weil er sich lauthals einmischt, blöde Kommentare macht, und einer  ist dabei, der immer rumpupst,  und einen komplett aus dem Konzept bringt, weil man gerade mitten in einer sozialen Situation ist,  in der es darauf ankommt, wie man sich verhält. Ah, jetzt weiß ich wo ich das her hab, das hab ich so ähnlich mal bei Woody Allen gesehen.

Ausgehen interessiert mich nicht, mich interessiert eher das Wetter.