März 2019 – Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich bin in einer Bar. Die Tür geht auf, ich schaue nach links, da steht er. Ich sehe ihn an, er mich, in einem Bruchteil von Sekunden kommunizieren wir: Shit, du hier, sorry, klar, ich gehe. Er dreht sich um und ist weg.

Ich bleibe zurück. Neben mir stehen unsere gemeinsamen Freunde. Es ist so schnell gegangen, dass niemand etwas bemerkt hat.

Das ist doch irre. Ich sehe ihn an, quer durch den Raum, sehe seine Statur, seine Silhouette, seine Kleidung, sein Gesicht, und ich will nichts anderes, als dass er auf mich zugeht, und wir uns zur Begrüßung küssen, und anfangen zu reden, miteinander und mit unseren Freunden, und dass wir trinken, und tanzen, und später zu ihm gehen und miteinander schlafen. Ich erlebe, wie wir uns verständigen, über Meter hinweg, im Halbdunkeln, nur mit unseren Gesichtern, und es kommt mir so dumm vor, so idiotisch, so falsch und so ultra-bescheuert, dass das nicht passiert, dass das nicht passieren darf, und ich denke: Was willst du denn, wir sind doch super zusammen, wie konntest du das in die Tonne treten?!

Das ist das, was ich sehe.

Was er sieht, ist Folgendes:

Scheiße, jetzt ist die hier, ach, mit denen auch noch, und ich bin mit V. hier verabredet, bloß weg hier, wie mach ich das jetzt, schick ich V. ne sms, geh ich halt ins Berghain, wie alt sie aussah, und fertig, hab ich gar nicht mehr so in Erinnerung, ist doch gut, sie geht aus, wie richtig sich das anfühlt, puh, weg von ihr, frei, befreit, bin ich froh, viel zu lange, drauf festgehangen, ja, lass mal ins Berghain, vielleicht geht K. ja noch mit, die texte ich jetzt mal an.