Januar 2020 – Männer

Ein Freund aus früheren Zeiten fragt mich: Und, Elli, was machen die Männer? Als wär‘s ganz selbstverständlich, dass die in meinem Leben vorkommen. Even in Mehrzahl. Wie gesagt, er kennt mich von früher. Als Männer in meinem Leben vorkamen, diverse Männer, unter anderem er. Ich bin irritiert. Sieht er nichts oder sehe ich nichts?

Da ist kein Zurück in ein Damals, in dem ich nichts wusste und jemand anderes war, ein gerade mal in die Zeit gefallenes Wesen und kein aus der Zeit gefallenes. Es schien nicht schwer, Männer zu finden, sie waren einfach da. Um mich herum. In Schulen, Ausbildungsstätten, Universitäten, in ausreichender Anzahl, um, ja, um was? Um eine tolle Zeit, voller Aufregung, Liebe, Sex und Abenteuer zu haben? In meiner Erinnerung waren die Beziehungen in diesem Damals vor allem eins: Verkorkst, geprägt von mühsamen und quälenden Nähe-Distanz-Austarierungen, tief sitzenden Ängsten und Psycho-Diskussionen, schwieriger gar als heute, wo ich zumindest im Groben weiß, womit in mir zu rechnen ist und wie man das in Schach hält. Es war eine Zeit, in der ich eigentlich nie wirklich verliebt war und schon gar nicht geliebt habe, sondern höchstens neugierig war und jemanden wollte. Eine Zeit vor T.

Das frag ich mich auch, antworte ich ihm.

Januar 2020 – 11 Minuten

Immer wieder an der Tram-Haltestelle,

starre ich sie an,

die Parship-Klone,

schön und groß und schlank, mit überirdischen Haaren, Bärten, Brüsten, Zähnen aus der Parallelwelt hinter Glas, die sich im Live-Photo-Modus Haarsträhnen hinters Ohr streichen oder von unten nach oben lächeln, Blickkontakt – aufnehmen, halten, wegsenken – , Flirten als Tutorial und in Zeitlupe, die ticking clock hat Parship auch mit eingebaut, alle 11 Minuten, alle 11 Minuten muss sich verliebt werden, 11 Minuten und schon wieder einer weg, 11 Minuten oder du verpasst was, 11 Minuten oder es setzt was, 11 Minuten, 11 Minuten, 11 Minuten.

Hey BVG, bitte mal Taktfrequenz erhöhen.

Januar 2020 – Druck

Druck und Arbeit Arbeit und Druck Geld und Druck und Gelddruck und kein Geld kein Druck und ohne Arbeit kein Geld und keine Arbeit gegen Geld und für Druck und Arbeit und Selbstverwirklichung und Arbeit für Selbstverwirklichung und Druck zur Selbstverwirklichung und Geld für Selbstverwirklichung. Oder dagegen. Druck um Druck, kommt von drücken.