Ich übe alt sein.
Ich gehe zu Tchibo und bestelle Kaffee und setze mich ins Fenster und guck raus. Raus bedeutet in die Shopping Mall am Gesundbrunnen-Center, Erdgeschoss. Man hat einen Blick auf Douglas, ein paar Bänke und eine Palme im Riesentopf mit Hydrokultur. Der Wedding läuft vorbei. Da hat man was zu gucken.
Eine Frau setzt sich neben mich, vielleicht 68, und findet das auch.
Kurze Haare, flott gekleidet. Ich bin nett zu ihr, vertraulich. Sie kommt aus Hennigsdorf (Randberlin, wie sie sagt).
Wir reden ein bisschen über die S-Bahn, die wieder fährt, dass man bei Tchibo noch guten Kaffee kriegt (ihre Formulierung), dass man im Hofladen Falkensee Erdbeeren pflücken kann (mein Beitrag), dass sie praktisch von hinter der Mauer kommt (ihr Beitrag).
Als sie sich auf den Hocker hochhievt macht sie eine Bemerkung, dass ich ja noch beweglicher wäre als sie. Sie denkt, ich bin jung und habe andere Probleme als sie, aber das stimmt nicht. Ich bin genauso alt wie sie. Sie sieht nicht, was ich sehe: Zwei ältere Frauen am Tresen bei Tchibo, ein paar nette Worte, eine Begegnung, gegen die Schmerzen in den Gliedern, gegen die Einsamkeit. Darum gehts doch im Leben älterer Menschen, um ein bisschen Trost.
(Als ich gehe fällt mein Blick auf das Mobilfunkangebot von Tchibo, da kann fancy O2 aber preis-leistungsmäßig sowas von gegen abstinken. Ich beschließe, mich ab sofort mit Tchibo einzuloggen, ist ja eh schon altersgemäß. Und der Kaffe ist gut. )