Beim Therapeuten gewesen,
über das Zusammenwohnen in der WG gesprochen, darüber, wie gut mir das tut, und welche Erkenntnisse daraus folgen.
Beim Therapeuten gewesen,
über das Zusammenwohnen in der WG gesprochen, darüber, wie gut mir das tut, und welche Erkenntnisse daraus folgen.
Blinken is ja auch out, ne? ich steh da an der Straße und die Leute blinken nicht mehr, stehlen mir meine Zeit, denn wenn ich früher wüsste, wo sie hinwollen, könnte ich schon mal rüber über die Straße, aber nein, da sitzen sie in ihren Autos und machen’s spannend, denn egal wohin, ob links oder rechts, sie kommen zuerst, die wird schon sehen, wo ich hinfahre, wenn ich wo hinfahre, das ist noch früh genug, denn wo ich hinfahre, geht niemand was an, außer mich, und die anderen können so lange im Regen stehen und gucken, wo sie bleiben, bzw. gucken, wo ich bleibe, alle Augen gespannt auf mich, denn links oder rechts, das ist meine Entscheidung bis zur letzten Sekunde, das ist meine Bühne hier, und wenn ich fahr dann fahr ich und vorher nicht.
Ego-Schweine, allesamt. Blinkt, Leute, blinkt! Und für die Radis: Arm raus hält besser.
Der Wind weht mir ein Partikelchen Stadt ins Auge, das den ganzen Tag nicht rausgeht.
Ich finde eine Notiz von mir, irgendwohin gekritzelt, unter eine Einkaufsliste:
Bedürfnisse abtöten.
Menschen egal machen.
Beim Therapeuten gewesen,
über die Frustration darüber gesprochen, dass er da drüben immer auf der „sicheren Seite“ ist, und das wiederkehrende Gefühl, angesichts von Missstimmungen, Konflikten, Zurückweisungen in Beziehungen, mal wieder „in die Falle getappt“ zu sein.
Auf der Flucht vor der Baustelle zwei Monate Sommer in Kreuzberg. Nachts die Fenster offen, der Lärm von unten mediterran. Die Hitze stimmt bis spät in die Nacht. Ich laufe nackt durch die Wohnung, wische den Boden nass. Der Schlaf ist dünn, das Laken reicht dicke. Die Träume wären leicht, wenn sie nicht meine wären.
P. schreibt aus Italien. Kurz vor Modena im Stau um Mitternacht bei 34 Grad.
Modena…
Woanders wär auch schön. Aber hier ist jetzt.
Ich freue mich so sehr darüber, dass ich gerade lesen kann.
Ich lese: Allegro Pastell von Leif Randt, Das Adressbuch von Sophie Calle und Erinnerung eines Mädchens von Annie Ernaux, deren Die Jahre ich (logischerweise) großartig fand.
Allegro Pastell tuts mir nur langsam, aber dann doch an. Wegen Allegro Pastell fange ich noch Gespräche mit Freunden von Sally Rooney, weil es mir in Bezug auf Generation, Milieu, Stil ähnlich zu sein scheint, aber von einer Frau geschrieben ist.
In beiden Büchern tritt einem eine extrem entspannte und dennoch hoch reflektierte, emotional reif wirkende Generation entgegen, die klug und begabt ist, kein schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern hat, einen guten Zugang zu ihren Gefühlen, ihrer Sexualität und ihren Drogenerfahrungen, und die Verhältnisse selbstverständlich kritikwürdig findet. Männer und Frauen tun sich nicht mehr viel.
Mit G. diskutiere ich über die verpasste Liebesgeschichte in Allegro Pastell, die mich irre macht, weil sie mir der ewigen Bezugnahme auf die eigene emotionale Lage geschuldet ist, und diese Ego-people nicht kapieren, dass da grade was Größeres als sie selbst passiert, dem man sich dedicatend muss. In ihrer Feinheit der Wahrnehmung und SChilderung kleiner, aber bedeutungsgebender Bewegungen in Situationen und Kommunikationen sind sich beide Bücher ähnlich. Trotzdem ist mir Fleabag, gleiche Generation wie Randt und Rooney, näher, hart, zynisch und menschenverachtend.
Folgendes behalte ich aus persönlichen Gründen:
„In der Kindheit folgte das Leben einem scheinbar mystischen Plan, der vor allem auf den Entscheidungen der Erziehungsberechtigten beruhte, und später basierte das eigene Handeln auf den Fehlentscheidungen jener Erziehungsberechtigten. Zudem konnte man nur im Rahmen seiner kognitiven, emotionalen und finanziellen Möglichkeiten agieren.“
Aus: Allegro Pastell von Leif Randt
„Er wusste jetzt, dass er mit Marlene in Zukunft okayen bis sehr guten Sex haben könnte. Dass sie älter war als Tanja, ließ sich höchstens an ihrem Hals erahnen und vielleicht auch, wenn sie lächelte.“
Aus: Allegro Pastell von Leif Randt
„Es war kein Scherz gewesen, als ich zu Philip gesagt hatte, ich würde keinen Job wollen. Ich wollte keinen. Ich hatte keinerlei Pläne, was meine finanzielle Zukunft anging: Ich hatte nie Geld mit irgendwas verdienen wollen. (..) Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich. Andererseits fand ich, dass mein Desinteresse an Reichtum ideologisch gesund war. Ich hatte nachgesehen, wie hoch das durchschnittliche Jahreseinkommen wäre, wenn das Weltbruttosozialprodukt gerecht auf alle verteilt wäre, und laut Wikipedia läge es bei $ 16 100. Ich sah keinen Grund, weder politisch noch finanziell, warum ich mehr als diese Summe verdienen sollte.“
Aus: Gespräche mit Freunden von Sally Rooney
Beim Therapeuten gewesen,
über die verpasste Stunde gesprochen, die sms, über die er nicht zu erreichen war, und darüber, was das entgegen aller Logik für eine Bandbreite an Gefühlen auslöst.
Manchmal verliere ich ganze Tage an die Depression.
Samstag, sowieso Droh-Tag, alles gut geplant, irgendwas zwischen Post-it: To Do und spontan Have Fun. Ich starte im Cafe, gehe weiter zum Markt. Dann zurück nach Hause. Wäsche, Steuer, abends N. treffen auf einen Drink.
Schon auf dem Markt merke ich, es wird schwierig werden heute. Was hab ich auch Allegro Pastell gelesen, Liebesgeschichte in denen ein zeitgenössisches Paar eines dem meinen ähnlichen Milieus selbstverständlich mit anderen Sex hat, weil das eben nun mal so ist, obwohl sie sich im Grunde lieben, sind nicht zuträglich. Beinahe fahre ich nicht ins geplante Online-Ticket-Prinzenbad, der Kampf endet damit, dass ich doch hinfahre.
Vor Ort alles schwierig, ich beginne im Schwimmer, kann aber kaum atmen, die Superhechte pflügen selbstgerecht, den Dümplern ist schlecht auszuweichen, die Bahnen sind zu voll, ich muss immer weiter weg vom Rand, kriege einfach die Angst nicht weg. Ich steige nach kurzer Zeit aus dem Becken, wechsle ins Nichtschwimmer, wegen Nachmittag leider quer abgetrennt statt längs, versuche es hier nochmal, in meiner heimischen Pfütze mit stets erreichbarem Boden, Bälle fliegen, Kinder kapieren nichts, ich kriege einfach keine Ruhe rein.
Neben mir im Wasser ein Mann und seine kleine Tochter, ca. drei. Er trägt sie eng bei sich auf dem Arm, übt mit ihr: Nase zu, unten ausatmen, die Augen kannst du unter Wasser auflassen. Er springt hoch, gemeinsam tauchen sie unter, lachen laut als sie wieder hochkommen. Ich hab dich gesehen!, ruft das Mädchen. Papa, ich hab dich gesehen!
Das wars. Ich weine. Ich gehe raus. Ich zittere am ganzen Körper, ich kann mich kaum beruhigen. 100 Punkte für die Depression, High Score, du hast gewonnen.
Der Gedanke, alles sei von Anfang an schief gelaufen und trotz aller Anstrengung nicht mehr gerade zu biegen, ist zu stark.
Schonprogramm, das:
Verordnung, die dazu dient,
vom anderen geschont zu werden,
vom anderen verschont zu bleiben (Gefühle, Anblick).
_Ein ca. 14jähriger entdeckt auf der anderen Straßenseite seinen älteren Cousin. Gehste Puff? ruft er grüßend rüber.
_Ein Mann tritt an an den Tisch, an dem ein Freund und ich gerade angefangen haben zu essen. Er setzt an: Er sei gerade ein bisschen knapp, ob – der Freund unterbricht ihn, macht klar, dass er sich gestört fühlt, der Typ knickt ein, entschuldigt sich verständig, sagt Nee is klar, wer reinfickt wird abgefickt, ich hab reingefickt, ich werd abgefickt, is okay, ich wünsche schönen Abend, genießen Sie Ihre Frau.