Dezember 2015 – der Nazi in dir

Kenne den Nazi in Dir,

sag ich immer.

Ich mags nicht, wenn die Leute denken, sie seien keine Nazis, keine Rassisten. Ich halte das sogar für gefährlich.

Ich bin beides, oft, ausgiebig und manchmal erschreckend gerne.

Wenn ich einen Schwarzen sehe, der neben einer dicken blonden Frau mit großem Hintern herläuft, die einen Buggy mit Kind drin schiebt, denke ich: Alles klar.

Wenn ich einen jungen Türken oder Araber sehe, der in der U-Bahn-Station rumcheckt, denke ich: Dealer. Und ich denke nicht: Junger, südländisch aussehender Mann mit dunklen Haaren, sondern ich denke: Türke oder Araber.

Wenn ich eine Sinti-Roma-Frau mit ihrem Kind in der U-Bahn betteln sehe, denke ich: Das ist doch scheiße, schick dein Kind in die Schule.

Wenn ich eine dicke, kleine Türkin mit Kopftuch und bodenlangem Mantel sehe, die mit zwei Hackenporsches auf dem Markt einkauft, und kaum Luft kriegt, dann denke ich, klar, dein einziger Lebensinhalt ist ja auch, die Familie zu füttern, kein Wunder dass du demnächst Diabetes und einen Herzinfarkt kriegst.

Wenn ich eine Frau mit Tschador sehe, die sich in der Parfüambteilung der Galeria Kaufhof versucht verständlich zu machen, denke ich, Alte, nimm den Lappen vom Gesicht, dann gehts besser.

Wenn ich einen Mann mit Siegelring und Gebetskette in der Hand breitbeinig und mit dickem Bauch inmitten von drei verhuschten Kopftuch-Frauen und einem Haufen Kinder sehe, denke ich: Ehrenmord.

So geht das den ganzen Tag. Aber ich weiß das.

Und das ist der Unterschied. Ich weiß, dass ich ein Nazi bin, ich kenne den Nazi in mir. Und der Nazi in mir, der hat Angst, dass die Flüchtlinge ihm die Wohnung wegnehmen, die er selber nicht findet, und den Job,  z.B. dass sie Bücher schreiben oder Radiosendungen machen, weil sie im Gegensatz zu mir was zu erzählen haben, dass sie gefördert werden und man sich um sie kümmert, wo ich doch zuerst da war mit diesem Bedürfnis, und niemand darauf reagiert hat, Angst, alles noch schlimmer wird in unseren Schulen und auf unseren Straßen. Aber bloß weil ich ein Nazi bin, renn ich deswegen nicht gleich los und heul bei Pegida rum oder wähl die AfD.

Dezember 2015 – short story

An einem eintägigen Speed-Writing Kurs teilgenommen:

Um 9 Uhr bekam man fünf, sechs Fotos, zwei Musik-Clips zur Anregung. Bis 12 Uhr 30 war Zeit für den ersten Entwurf. Um 14 Uhr gab es Feedback der Dozentin. Bis 17 Uhr war Zeit zur Überarbeitung. Fertig, die Speed-Story.

Um 9 Uhr hab ich mir das Material angeschaut. Dann hab ich gefrühstückt und weiter das Material angeschaut, im Hirn hats geschoben und gebrutzelt. Dann hab ich angefangen zu schreiben. Bis 12 Uhr 30 war ich einmal durch. Hammer! Erstaunliches Gefühl. Dann Feedback – danke, sehr brauchbar! Einarbeitung, Verunsicherung, Umarbeitung – Schluss jetzt, mehr geht nicht.

Das Ergebnis: Meine erste Kurzgeschichte. Ich weiß nicht, ob ich und wie ich irgendjemand erklären kann, was das für mich bedeutet! Die Prosa-Angst ist überwunden!

Check it out:

Italien

„Susanna sitzt im Auto“, dachte Susanna. Sie hatte sich angewöhnt, ihre eigenen Zustände zu beschreiben wie kleine Nachrichten, die man über jemanden verbreitet. Kleine Sensationen. „Susanna kauft ein!“ „Susanna föhnt sich die Haare!“ War ihr Leben so langweilig, dass sie es für sich selbst interessant machen musste?, fragte sie sich. Lag es daran, dass sie wie alle begonnen hatte, die Welt in Form von Kurznachrichten wahrzunehmen? Oder lag es daran, dass es ihr das Gefühl gab, über sie werde gesprochen wie über ein Kind: „Susanna hat heute zum ersten Mal gelacht“. „Susanna läuft jetzt“.

Sie hätte mit dem Zug fahren können. Sie hätte den Flieger nehmen können. Kurz hatte sie sogar überlegt, die ganze Sache mit dem Rad anzugehen, sich Etappe für Etappe zu nähern, den Fokus auf den Weg zu legen, statt auf die Zeit vor Ort. Sie wäre mit einem angenehm erprobten Körper angekommen, gewappnet und voller Energie. Sie hatte sich fürs Auto entschieden.

Sie drückte unbestimmt auf den Knöpfen des High-Tech-Radios herum, das in den Mietwagen eingebaut war, bis es ansprang, und italienische Musik zu hören war. Sie musste lachen und an ihren Vater denken, von dem sie als Kind aus ihrer Rücksitz-Perspektive über Stunden nur die rechte Körperhälfte gesehen hatte, vor allem seinen kräftigen Unterarm am Steuer des VW Käfers. Auf ihre Fragerei, sind wir schon in Italien? Sind wir schon in Italien?, hatte er immer „den Radiotest“ mit ihr gemacht: Wenn italienische Musik kommt – dann sind wir in Italien! Er drehte am Knopf des Radios und schaltete gleich wieder aus, wenn etwas anderes zu hören war. Kam aber italienische Musik, schrien sie beide wie aus einem Mund: Itaalien!!! als sei das Schönste passiert, was passieren konnte. Dabei wandte er sich zu ihr um, löste für einen Moment seinen Arm vom Steuer, streckte ihn nach ihr aus und sie sah in seine lachenden, dunklen Augen. Meistens waren sie da erst in der Schweiz, aber bis zur Grenze wollte er sie und sich nicht warten lassen. Zumal sie da meistens schon schlief.

Susanna sah im Rückspiegel ein Auto auf sich zuschießen und wechselte rasch von der linken auf die rechte Spur, für einen Moment spürte sie die Panik in sich aufflackern, die sie bisher gut im Griff gehabt hatte. Seit dem Unfall ihres Vaters hatte sie sich nicht mehr an das Steuer eines Autos gesetzt. Das war jetzt drei Wochen her.

Sie setzte sich mit Kaffee, einer kleinen Flasche Wasser und einer Tüte voller Leckereien, die sie in einer Bäckerei gekauft hatte, an den kleinen Strand. Sie hatte den See, zu dem der Strand gehörte, vom Autofenster aus gesehen und gerade noch rechtzeitig die Abfahrt genommen.

Ein Kind spielte selbstvergessen im Sand und sprach vor sich hin. Seine Mutter las, wie Susanna auf dem Boden sitzend, die nackten Füße vor sich in den Sand gestellt, Zeitung. Die beiden lächelten sich kurz zu. Die Frau trug eine Sonnenbrille.

Susanna erinnerte sich, ihrer Mutter als Kind die Sonnenbrille oft vom Gesicht gezogen zu haben. Ihre Mutter trug ständig Sonnenbrillen, liebte Sonnenbrillen, hatte eine ganze Sammlung davon in verschiedenen Stilen, die ihr allesamt fantastisch standen.

Wenn Susanna, die genau wie ihr Vater ihre Mutter verzweifelt liebte, auf ihrem Schoß saß, hatte die Sonnenbrille immer einen Widerwillen in ihr ausgelöst. Wenn sie versuchte, sie ihr abzuziehen oder sie ihr spielerisch abzunehmen, wurde ihre Mutter ärgerlich. Sie stand auf, sodass Susanna von ihrem Schoß rutschte, setzte die Brille wieder auf, wandte ihr für einen Moment ihr schönes, verdunkeltes Gesicht zu, um sie dann stehen zu lassen und sich mit jemand anderem zu beschäftigen.

Der Sonnenbrillentick hatte erst aufgehört, als ihre Mutter Ilona kennen gelernt hatte.

Susanna nahm einen der beiden Rollkoffer aus dem Kofferraum des Autos und ging auf das kleine, weiß getünchte Haus zu, vor dem zwei Vespas parkten. Jeden Sommer hatte ihr Vater, während sie spielte oder las oder ihm half, an diesem Haus gebaut, auch dann noch, als ihre Mutter mit Ilona zusammen gekommen war, auch dann noch, als sie mit ihr nach Hamburg gezogen war und die beiden sich kaum noch sahen.

Sie wäre gerne noch einen Moment stehen geblieben und hätte sich Zeit gelassen, aber sie musste davon ausgehen, dass ihre Ankunft innen bereits bemerkt worden war. Also drückte sie auf die Klingel. Die Tür ging auf, und sie sah in das Gesicht ihrer Mutter. „Susanna“, sagte sie lächelnd, „ich freu mich so“. Sie ging auf sie zu, und umarmte sie.

Hinter ihrer Mutter stand Ilona im Türrahmen. Sie schaute ihr freundlich entgegen, und begrüßte sie mit Küsschen links rechts.

Wie geht es euch? fragte Susanna in der Küche und sah in die Gesichter der beiden Frauen, die älter geworden waren, so wie sie älter geworden war. Es geht uns gut, sagten sie, und nickten. Sie fragten, wonach ihr war, vielleicht nach einem Getränk, einem Snack, einer Dusche? Doch Susanna legte nur wortlos ihren Koffer auf die Seite, öffnete ihn, holte die Urne heraus, die sie mit Gaffertape zugeklebt hatte und stellte sie auf den Tisch.

Die beiden sahen sie erschrocken an.

 

Ilona ruderte das kleine Fischerboot, Susanna und ihre Mutter saßen sich schweigend gegenüber und sahen aufs Meer. Susanna hielt die Urne fest auf ihrem Schoß.

Warum bist du damals in das Haus gezogen, fragte Susanna und beugte sich ein wenig über den Rand des Bootes, um den Wellen zuzuschauen, die daran schlugen. Du wolltest doch früher nie mit uns nach Italien.

Deswegen, sagte ihre Mutter. Es klang wie eine Frage. Susanna sah sie an. Die Falten hatten ihren Gesichtsausdruck wärmer gemacht. Ihr dichtes Haar trug sie noch immer hochgesteckt, das helle Blond inzwischen von weiß durchzogen. Susanna dachte an das Foto von ihr als junger Frau, das ihr Vater von ihr gemacht haben musste, in dem Jahr, in dem sie sich bei ihrem Urlaub in Italien kennen gelernt hatten. Sie stand neben einer Vespa, die sie alleine hatte fahren wollen, darauf hatte sie bestanden. Nicht bei ihm hinten drauf. Ihr Vater hatte immer erzählt, wie sehr ihn das beeindruckt hatte.

Susanna bat Ilona anzuhalten. Sie küsste die Urne, öffnete sie, und verstreute die Asche ihres Vaters im Meer.

 

Als sie zurück waren, im Haus, und zusammen zu Abend aßen,  eröffnete ihre Mutter ihr, dass sie und Ilona zurück nach Hamburg ziehen wollten. Was passiert mit dem Haus, fragte Susanna. Vielleicht möchtest du es ja haben, sagte ihre Mutter.

Susanna sah aus dem Fenster, das nun, da es schattiger geworden war, offen stand und das Licht herein ließ. Italien, dachte sie.

Und zum ersten Mal seit Wochen kam es ihr nicht in den Sinn, eine Nachricht daraus zu machen.

 

Berlin, den 19.12.2015

Dezember 2015 – Krankheit als Scheiße

Ich hasse es, wenn Leute sagen, Krankheit sei eine Chance.

Da liest man dann schöne Geschichten in Zeitschriften, von Menschen, die Manager waren oder Werbefuzzis oder Bankerinnen, und dann sind sie krank geworden und haben über ihr Leben nachgedacht und jetzt machen sie ein Cafe mit Bio-vegan oder verkaufen selbst gezüchteten Honig oder helfen Menschen in Flüchtlingsnot.

Krankheit als Scheiße.

Krankheit ist verlorene, vertane Zeit, Krankheit klaut kostbare Lebenszeit, Zeit, in der man gezwungen ist, sich rund um die Uhr mit etwas zu beschäftigen, mit dem man sich nicht beschäftigen will, nämlich mit ihr und ihren Bedürfnissen. Zeit, in der man Angst hat, dass man nie wieder in Freiheit wird leben können, dass sie einen auf ewig gängeln wird, die Krankheit, dass sie einen für immer unter der Rute halten wird, bestimmen wird, wer man ist, wie man aussieht, sich bewegt, was man isst und trinkt, wie oft man Sex hat und wie der Tag abläuft. Krankheit ist ein Ego-Monster. Krankheit ist ein Arschloch, das dir sagt, wo’s langgeht.

Möglich, dass Krankheit ne Chance ist für Leute, die vorher koksende Angeber-Arschlöcher waren, die dachten, ihnen kann nie was passieren, und wem was passiert, der ist ein Idiot und Versager. Für die ist Krankheit ne Chance, sich mal in Demut vor den anderen zu begeben. Aber nein, sie begeben sich wenn dann in Demut vor „dem Leben an sich“ oder „den kleinen Dingen“ und immer noch nicht vor den anderen. Und denken auf diese Weise sind sie wieder Herr im Haus.

Aber nur weil sie hinterher Honig züchten und ihre Leben entschleunigen und ein Buch über ihre Krankheit schreiben und zum ersten Mal ihren Kindern ins Gesicht sehen, sind sie noch lange nicht netter. Sie bilden sich immer noch voll was ein auf sich, und jetzt eben auch noch auf ihre Krankheit, denn es kommen ja Leute und schreiben Artikel über sie. Und wenn du am Ende immer noch krank bist, dann weil du im Gegensatz zu ihnen nicht kapiert hast, was die Krankheit dir sagen will. Weil du nichts draus gemacht hast. Krankheit als Leistung.

Krankheit als Chance my ass.

 

 

November 2015 – Jessica Jones

In Bikerboots, Jeans und Lederjacke stiefelt Jessica Jones durch ein klassisches brick-building-New York, vorbei an den Anzugtypen, den Obdachlosen, den Hipster-ladies und den Food-truck-Immigranten, die die Stadt und ihre Vielfalt schon immer am besten repräsentiert haben. Die lights sind blurry, die tunes eher jazzy, nehmen dann aber auch gerne mal Fahrt auf. Jessica ist  kein nettes Mädchen. Sie ist angry. Sad. Und ziemlich abgegessen.

Dass ihr ein Trauma widerfahren sein muss, merken wir schnell. Sie hat Flashbacks, ähnlich wie ein Soldat mit Posttraumatischen Belastungssyndrom. Ihren Job als PI – Private Investigator – erledigt sie von ihrer eher herunter gekommenen Wohnung aus, die gleichzeitig ihr Büro ist. Ein großer Schreibtisch, eine Film-Noir-Jalousie und eine Whiskyflasche in der Schublade, zu der Jessica gern greift, geben der Sache  den richtigen Humphrey Look. Wenn sie ihre Füße in den Boots auf den Tisch legt, ist das ein Moment, in dem es ihr sichtlich Spaß macht, ein Mädchen in einem klassischen Männergenre zu sein. Das Milchglasfenster in der Eingangstür mit der Aufschrift „Alias Investigations“, ist zerbrochen, und nur notdürftig mit Karton abgeklebt, wird aber im Laufe der ersten Staffel ausgetauscht.

Ihr Jobs erledigt Jessica rasch und ohne große Empathie. Im Endeffekt wühlt sie ja doch immer nur im Dreck der anderen oder wühlt den Dreck der anderen auf.

Dass Jessica eine Superheldin ist, spielt für sie und die ersten Folgen zumindest auf der Action-Ebene so gut wie keine Rolle. Selten hat eine Superhelden-Comic Verfilmung so angenehm langsam und auf Augenhöhe mit dem zivilen Protagonisten gespielt. Jessica will keine Superheldin sein und auch mit ihren ehemaligen Kollegen nichts zu tun haben. Das Kostümchen, das sie früher mal getragen hat, kommt ihr und uns vor wie ein Witz, so als wolle man eine kampferprobte Amazone in ein rosa Tütü zwingen. Sie kann auch gar nicht viel Supermäßiges. Sie hat viel Kraft, und kein Problem, ein Auto festzuhalten oder ein paar Typen oder Sachen zusammen zu schlagen. was ihr in ihrem Job zugute kommt. Im großen und ganzen hält sie es aber diskret mit ihren Kräften und so wirkt das eher wie ein Teil ihrer Job Description. Jessica kann nicht mal fliegen, nur hoch springen. Und so kommt sie einem vor wie die Schmalspur-Version einer Superheldin, bei der mitten im Umbauprozess (wie meistens bei Superhelden ein Unfall, ihre Eltern und ihr Bruder sind dabei gestorben) was nicht zuende geführt worden ist. Das gibt ihr etwas angenehm dysfunktionales, und macht sie zu einem ungeheuer glaubwürdigen, modernen, sympathischen Mädchen.

Ihr großer Gegenspieler taucht lange nicht in persona auf. auch das erzählerisch eine kluge Entscheidung. Der Mann, der für ihr Trauma verantwortlich ist, nimmt über einen Fall zu ihr Kontakt auf. Als sie begreift, dass der Mind Fucker Kilgrave, der sie über Jahre im Griff hatte, und sie bis zu einem Mord manipuliert hat, zurück in der Stadt ist, will sie nichts anderes als: Weg! Nur weg, so weit wie möglich. Das Schicksal einer jungen Frau, die Kilgrave in einem Hotelzimmer festhält, missbraucht und sie am Ende dazu bringt, ihre Eltern zu erschießen, appelliert aber an ihr Verantwortungsgefühl. Sie folgt ihrem Ruf, denn sie und ihre Freundin Trish, eine erfolgreiche Radiomoderatorin, zu der sie ein schwesterliches Verhältnis hat, wissen: Wenn einer eine Chance hat, Kilgrave unschädlich zu machen, dann ist es Jessica.

Außerdem gibts noch tolle Nachbarn (einen Junkie und ein crazy Zwillingspaar), einen schwarzen Barkeeper – ihr love interest, einen Ken-artigen Polizisten, der zu militaristischem Übereifer neigt, eine beinharte lesbische Anwältin und natürlich so klassische Superhelden-Story-Zutaten wie Kraftverstärkung, wissenschafltiche Experimente, Föten und Potions.

 

 

November 2015 – Wohnungssuche

Unfassbar frustrierend.

Mein Sozialneid ist auf dem Höchststand seit Aufzeichnung.

Ich kann nicht anders als es persönlich nehmen.

Seit 16 Jahren bin ich in dieser Stadt. Was hab ich hier gekämpft. Um ein bisschen Anerkennung, um einen Job, der mich, gerade so, über die Runden bringt, der mir die Möglichkeit gibt, jetzt, endlich mal, eine Wohnung zu wollen, die hübsch ist, und hell, und renoviert und nach meinem Geschmack und mit Balkon, nicht groß, aber großzügig.

Und jetzt sehe ich an den Häusern hoch und denke, wieso wohn ich da nicht, oder da? Wieso hatte ich nicht das Talent, mich rechtzeitig irgendwo reinzusetzen und einfach nie wieder wegzugehen, so dass heute die WG-Mitglieder ausgezogen und ich als einzige übrig in einer Riesenwohnung mit Uralt-Mietvertrag bin? Wieso hab ich keine Eltern, die mir beizeiten Geld in den Arsch geschoben haben, um mir eine hübsche Eigentumswohnung in Mitte zu kaufen?

Plötzlich sehe ich Leute mit Geld aus diesen Häusern kommen. Junge Leute mit Zukunft, Eltern, Jobs aufgrund schneller, brauchbarer Ausbildungen. Selbstbewusste Frauen, die alles wollen, Kind, Kochen und Kunst. Leute, die alles richtig gemacht haben. Leute, die besser sind, unerreichbar besser sind, obwohl sie nicht besser sind. Oder doch?

Ich will verdammt nochmal eine schöne Wohnung in guter Lage, zum ersten Mal in meinem Leben.

Ja, ist das denn zu viel verlangt?