Ich bin mit ein paar Leuten in einem Park. Es ist warm, sonnig, es gibt Musik.
Eine Freundin, die Online Dating macht, sieht von weitem einen Typen, mit dem sie demnächst ein Treffen hat. Praktisch, lacht sie, kann sie vorher schon mal checken, wie der so ist. Er hat sein T-Shirt ausgezogen, rennt oben ohne rum. Ist eh so einer, sagt sie, so ein cooler DJ, postet immer gerne Fotos von sich, so beide Hände an den Plattentellern. Ohne Shirt jedenfalls noch praktischer, sagt sie. Sieht man gleich, was drunter ist. Was man so geboten kriegen würde. Und? sage ich, genügt er den Ansprüchen? Wenn er höflich ist, sagt sie, und sich was anzieht, wenn er sich benehmen kann, dann spricht nichts dagegen. Dann gibt es keinen Grund, da nicht mal drüber zu rutschen, sagt sie, und lacht.
Sie meint es witzig, sie meint es ein bisschen wie ein Zitat, etwas was Männer sagen würden.
Ich finde es trotzdem unangenehm.
Ich finde es traurig. Und wenn ich der einzige Mensch auf der Welt bin, den es traurig macht, dass man sich lieblos und objektivierend begegnet, dann ist es eben so. Ich weigere mich, das normal oder okay zu finden.
(Und dass das jetzt auch für Frauen gilt, macht die Sache nicht besser. Ist ja schön, dass die jetzt auch alle gleich scheiße sein und daherreden dürfen, dass es auch für Frauen um geile Ärsche gehen darf, aber vielleicht hat ja auch einfach nur das männliche Prinzip gesiegt. Wir haben jetzt Zugang zu unseren Bedürfnisse und Vorstellungen und bedienen uns selbstbewusst an der Auswahl im Regal, wir entscheiden mit Shopping-Blick, mit Was bringts mir-Blick, mit wem wir uns abgeben wollen, formulieren, ganz verbrauchergeschützte Kundin, unsere Kaufentscheidung und bekommen, was wir wollen – sofern wir selbst etwas Adäquates anzubieten haben.)
Aber statt das zu sagen, lache ich mit. Warum bloß? Ich bin älter als sie, ich kenne das dumme, hilflose Gerede, das Versteckspiel des Zynismus, den zur Schau getragenen Durchblick. Ich sehe, dass sie eigentlich auch traurig ist. Dass sie es vergräbt unter witzigen Sprüchen und Machogehabe. Dass sie sich eigentlich was anderes wünscht. Ich nehme mir das tagelang übel, dass ich nichts gesagt habe. Dass ich mitgemacht, sie noch befeuert habe, statt zu sagen,
du weißt schon, dass das auch ein Mensch ist.
Aber was soll sie auch machen. Sie hat keine Beziehung. Sie wünscht sich eine. Also tindert sie durch die Welt, nimmt Kontakt auf mit dem Markt und den Möglichkeiten, einer rechts, einer links, einen fallen lassen. Nimmt sich selbst wahr als etwas, was auf diesem Markt bestehen muss. Und am Ende kommt vielleicht wenigstens Sex rum. Und ist der nicht eh viel besser, wenn er lieblos und objektivierend ist? Berührt der einen nicht manchmal mehr als alles andere, zumindest für den Moment? Ist eine Beziehung mit ihren Mustern wirklich toller als einfach nur geil und begehrenswert gefunden zu werden? Kann man überhaupt noch eine Beziehung führen, wenn man sie eingekauft, ausprobiert und abschließend beurteilt hat? Oder funktioniert es womöglich eh nur so? Ist das Prinzip Beziehungs-Deal nicht ehrlicher als dieses Gerede von der Liebe? Ist es nicht immer so, dass es darum geht, ob der der andere etwas ist, kann, macht, liefert, damit man mit ihm zusammen bleibt, damit es sich lohnt? Sind begehrt werden, Sex haben und Beziehung nicht sowieso zwei Sachen, die man endlich mal als getrennte akzeptieren sollte? Ist meine Haltung vielleicht einfach nur moralinsauer und diese Idee von Liebe, die rettet, die trifft, die sich uns entzieht, einfach nur idiotisch esoterisch?
Make love great again, suckers.