September 2016 – Vexierbild

Jeden Tag laufe ich am Schaufenster eines Ladens vorbei. Darin ein Bild, eine Fotografie. Schwarz-weiß. Aus dem 19. Jahrhundert, schätze ich.

Es zeigt eine junge Frau. Sie sitzt nackt auf einem Stuhl, den Oberkörper über den Tisch vor sich geworfen, das Gesicht in Schmerz und Gram auf den Unterarmen verborgen. Das ist das Wort, das einem einfällt: Gram.

Geht man am Bild vorbei, bemerkt man, dass es sich verändert, dass es kippt. Betrachtet man es von der anderen Seite, sieht man denselben Frauenkörper, auf demselben Stuhl, in derselben Pose. Doch nun ist die junge Frau ein Skelett.