Juni 2023 – Blueberry Man

Ich sitze bei McDonalds. Passiert. Blick aus der Höhe. Auf Busse, Menschen, Autos am Zoo. Die Fensterfront wie die eines Raumschiffs, Star-Trek-Architektur, McDonalds als Kantine, irgendwo im All. Ich sitze an einem der Zweier, träume aus dem Fenster. 

Vor mir ein alter Mann, klein, hager, sehnig, ein Käppi auf, die Haare an den Seiten schütter. Er trägt ein Holzfäller-Hemd, reingesteckt, in die Blue Jeans, einen breiten Ledergürtel. Fehlen nur noch die Cowboy-Stiefel. Vor ihm ein Blaubeer-Muffin in seinem Förmchen aus Papier. Kein Tablett, nichts, nur dieser Muffin vor ihm auf dem Tisch, unberührt. Er guckt ihn an, zufrieden, als wär ne Kerze drauf und heute sein Geburtstag. Er nimmt einen Löffel, aus Holz sind die jetzt, drückt ihn mit der Seite in den Muffin. Er löffelt den Muffin. Muss ein bisschen nachhelfen, mit dem Finger manchmal, ein bisschen mit der Löffelspitze säbeln, aber es geht. Wir fliegen in unserer Kantine durchs All, ich und der Muffin-Mann, nicht viel trennt mich von ihm.

Als er aufgegessen hat, bleibt er noch ein bisschen sitzen. Schaut, wie ich, nach draußen, durch die Star- Trek-Fenster auf die unwirkliche Welt. Schaut, wie ich, auf den Jungen, der einen Tisch weiter mit der Nase am Fenster nach draußen sieht, auf Busse, Menschen, Autos am Zoo, auf die Symphonie der Großstadt, das Kästner-Kind. Plötzlich dreht der Mann sich auf seinem Stuhl zu mir um, den Arm auf der Lehne, die Augen wach. Er ist jetzt, wo er alles getan hat, gegessen, rum geguckt, auf der Suche nach ein paar Worten. Ich erschrecke, senke den Blick, mein Tablett voller leer gegessener Papiere, Cellulose und beschichtet, und kaue schnell auf irgendwas letztem, was sich daraus noch hervor scharren lässt.

Er steht auf, verschwindet hinter einer der Trennwände, vom Szenograph entworfen und ausgesägt, und spricht mit einer der Mitarbeiterinnen, die dort mit hüfthohem Besen und Kehrblech den Boden sichtbar macht, eine Latina. Er spricht, lacht, ich höre seine Stimme, ihre. Kommt er öfter hier her? Hat er sich nach ihr umgeschaut? Kommt er jeden Tag? Jeden Samstag? Isst seinen Blaubeer-Muffin. Nie etwas anderes. So wie andere ihren Kuchen in der Konditorei. Wechselt ein paar Worte, dann geht er.

Ich sehe ihm nach.

Was, wenn er wirklich Geburtstag hat.