November 2017 – Black Box

Es wird eine Weile her sein. Wir werden tanzen, und uns anschauen, und wir werden wissen, dass wir an ihn denken, und wir werden weinen, und über was anderes reden, und lachen, und wieder auf ihn zurückkommen, immer wieder auf ihn zurück kommen,

wie in Ebbe

und in Flut,

und uns fragen, gegenseitig, wie geht es dir. Damit.

Aber noch sind die Tränen heiß. Die Traurigkeit, der Ärger, die Wut, die Schuld, die als Erste da war. Das Entsetzen über die Tat, das Tun. Die Aggression darin, die sich gegen uns, das Leben, die Welt richtet. Die Brutalität, die Gewalt, die darin liegt, und zu der er in der Lage war, die in ihm verborgen war, wie sie in uns allen verborgen ist, mal mehr mal weniger, irgendwo da drin. In unserer Black Box. Mit der wir einander fremd sind und bleiben, wie sehr wir uns auch zugetan sind, uns womöglich kümmern oder gar lieben. Das Hinwerfen. Alles, das Handtuch. Sich hinwerfen. Sich entgegen werfen, wegwerfen, unterwerfen, überwerfen. Und uns verwerfen. Begraben

wird er bald sein.

Wir werden gesprochen haben. Gefragt, erzählt, geschildert, wir werden uns wiederholt haben, in Schleifen umkreist und eingekreist haben, was es noch zu sagen gibt, um die Erzählungen zwischen uns zu schieben, zwischen uns und uns, zwischen uns und ihn, Wahrheitswolken aus Watte. Ich hab mal jemanden gekannt, werden wir eines Tages sagen, der

In meinem Kopf führe ich Gespräche mit ihm. Ich sehe, wie es dir geht, ich verstehe wie es dir geht, ich kenne, wie es dir geht. Ich kann mir vorstellen, was dich umtreibt.

Ich bringe dich jetzt.

In die Klinik, zum Krisendienst, zum Arzt. Denn zu dem geht man, wenn es einem so geht wie dir. Der Arzt wird dort sein und mit dir sprechen und dir Medikamente geben. Du wirst schlafen, lange, so lange und so gut wie du lange nicht geschlafen hast, du wirst ohne Angst sein, und ohne Dunkelheit, und wenn du aufwachst, sieht die Welt anders aus. Dann wird es dauern. Es wird nicht lustig sein. Es wird keinen Spaß machen, es kommt Arbeit, es kommen Rückfälle. Aber in ein paar Monaten, ist das Licht am Himmel schön, der Kaffee schmeckt, und es kommt ein anderes Lied im Radio. Und du wirst denken, gut, dass ich das noch erlebe.

Meine Rettungsfantasien.

Als hätte ich die Augen auf gehabt und doch nichts gesehen. Als wäre der Weg vom Fühlen zum Handeln zu weit gewesen. Als hätten meine Synapsen nicht funktioniert. Hürden, die ich gebaut habe, Hürden, die er gebaut hat. Auf die es gegolten hätte, keine Rücksicht zu nehmen. Ich war nicht überrascht. Nicht eine Sekunde, hat mein Gehirn gezögert die Information anzuerkennen. Also warum! Haben die Synapsen nicht funktioniert.

Das geht nicht, hätte ich gesagt. Das ist keine Option. Hörst du? Es gibt Dinge, die du liebst, das weiß ich. Lass dich nicht faszinieren, verführen, lass dich nicht rüber ziehen, auf die dunkle Seite der Macht. Hör auf, damit zu flirten, dich zu gewöhnen, an den tödlichen Gedanken, ihn durchzuspielen und erträglich zu machen, ihn zu etablieren. Hör auf, ein Dann zu fantasieren. Kein Dann. Ein Nichts. Kein Trost, keine Erleichterung. Nichts.

Heute bist du zwei Tage tot.

Finalität.

Der Schmerz setzt ein. Die Trauer kommt.