Mai 2016 – Model Escort

Kürzlich in der S-Bahn. Ein unglaublich schönes Mädchen steigt ein, groß, schlank, dunkelhäutig, wilde Haare, vielleicht 21, sehr präsent, sieht aus wie ihr eigenes Foto. Sie ist mit einem Typen unterwegs, ein Freund, nicht ihr Freund, schätze ich, beide hipstermäßig gekleidet, das Wetter ist toll, Getränk in der Hand, wohl auf dem Weg in den Park, zum Open Air oder whatever. Und, wie war Shooting?, fragt er. (Klar, – Model!)

Sie erzählt von einem Job, den sie für Mac gemacht hat (sie sagt nicht Apple). Wie krass das war, und dass sie ihr fünfmal das Make-up runtergemacht haben und fünfmal wieder dick drauf, weil sie nochmal und nochmal was anderes wollten und am Ende konnte sie nicht mehr aus den Augen gucken, so viel Chemie war drin. Ich konnt echt nicht mehr schauen, sagt sie. Das war so krass. Da war echt mal wieder klar, warum die Gage so geil ist, die wollen einfach deinen Körper. Naja, aber jetzt hat sie die Überweisung, sagt sie und das ist schon geil. Zumal von Zalando grade nicht viel kommt. (Daher kenn ich sie!?)

Dann erzählt sie von einer Freundin, die jetzt auch Escort macht. Ohne Sex. Nur Begleitung.Der Typ wird unruhig, irgendwie passt ihm das nicht. Wieso, sagt sie, das sind dann halt so Männer, die wollen mit dir angeben. Und die wollen dann eben auch jemand, mit dem sie sich unterhalten können, jetzt eben keine normale Prostituierte, sag ich mal, die jetzt vielleicht eher son bisschen, also jemand der halt Abi hat und gepflegt ist und so. Die wollen dich rumzeigen, und angeben, dass sie so ne Frau haben können. Da brauchst du nicht für bezahlen, meint der Typ. Sie lacht, wenn du gut aussiehst, ja, aber wenn du halt mal leider nicht so gut aussiehst, dann musst du eben dafür bezahlen. Er schüttelt unwillig den Kopf. Ist doch auch nicht viel anders als das. was ich mach, sagt sie. Und nach ein so nem Wochenende hat sie sich einen Kleinwagen gekauft.

Vielleicht ist das der Moment in der Geschichte des Kapitalismus, in der alle, aber wirklich alle, von der Edeka-Kassiererin bis zum Top-Manager, vom Model bis zur Dunkin-Donuts-Verkäuferin vollkommen reflektiert darüber sind, sich komplett bewusst darüber sind, dass sie in perversen Zusammenhängen leben und arbeiten.

Vielleicht ist das das schlimmste Stadium von allen.