Ich bin auf einer Konferenz. Es geht um gute Sachen, aktuelle Fragen und Gedanken. Der Veranstalter und Moderator hat die Vortragenden des Tages um einen runden Tisch versammelt, von wo aus sie aufstehen, zu ihrem Pult gehen, zwischendurch diskutieren. Augenfällig: Alles Männer, eine einzige Frau.
Nach der Pause berichtet der Moderator, dass die Frau ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass nur Männer am Tisch seien. Das, meint er, und lacht leicht nervös, wollen sie (die beiden männlichen Veranstalter) natürlich nicht, sie mögen Frauen, finden Frauen ganz toll, ja, er sei Feminist. Er schlägt vor, dass einige der Frauen aus dem Publikum, die er kennt, sich mit an den Tisch setzen, mitdiskutieren. Die wollen aber nicht. (Komisch).
Noch eine Pause später – die Sache scheint ihn schwer zu beschäftigen – haben sich ein paar seiner Freundinnen breitschlagen lassen, und sich mit an den Tisch gesetzt. Als er anfängt sie vorzustellen, fällt ihm bei zweien ein, dass sie früher Schauspielerinnen waren, bei einer dritten, dass sie sogar mal Model war. Wow! sagt er. (Genau das denke ich auch). Eine anwesende junge Amerikanerin, sowieso not amused von seinem Gehabe, sagt: You are makin it worse. Er tut daraufhin so, als sei sie gekränkt, weil er nicht ihr, sondern einer anderen Frau eine Frage gestellt hat: I have a question for you, too, in a second I have a question for you, too, sagt er, als wären seine Fragen goldene Bonbons die aus seinem Mund kommen, und nach denen sie sich verzehrt. Auch eine Möglichkeit, eine Attacke abzufedern, einfach den anderen zum Narzist erklären.
Fassen wir das mal zusammen. Da ist also einer, ein Chef und Podiumsbestimmer, der von der einzigen Frau am Tisch mit der Nase darauf gestoßen wird, dass er sich möglicherweise keine Gedanken über sowas wie Repräsentation auf seiner Veranstaltung gemacht hat. (Bis zu diesem Zeitpunkt schien mir das kein größeres Problem zu sein, am Tag zuvor waren viele Frauen da. Aber das war wohl eher Zufall wie sich zeigt). Er kriegt jedenfalls einen Schreck und fühlt sich ertappt, und weil er doch ein Guter ist und sein will, ein Aufgeklärter, bittet er rasch die anwesenden Frau/Freundinn/en sich zur Übertünchung des Fauxpas um den Tisch zu garnieren. Aber gegen strukturelle Problematiken und Misogynie hilft nun mal keine Floristik. Die tapferen Frauen, die sich dazugesetzt haben, waren schon von vorneherein im unauflöslichen Dilemma. Präsenz zeigen, den Mund aufmachen, und sein dekoratives Spiel mitspielen waren schon nicht mehr voneinander zu trennen.
Was lernen wir daraus? Erstens. Junge Amerikanerinnen sind anscheinend gnadenloser, wenn es darum geht, bei dem Thema zurück zu schießen (siehe auch Miranda July). Als er auch noch was von „Trump ist der neue Hip-Hopper“ faselt, fragt sie What do you mean? Da rudert er rasch zurück, jetzt bloß nicht auch noch latenter Rassismus-Vorwurf. Irgendwie redet er sich immer mehr Kopf und Kragen.
Zweitens. Wenn einer sagt, er sei Feminist, muss einen das misstrauisch machen. Feminismus bedeutet nicht, Frauen wahnsinnig schön, stark, und begehrenswert zu finden. Feminismus ist nicht, wenn man auf Frauen steht. Von da aus ist es nicht mehr weit zum Bumper Sticker „Ich bin für Frauenbewegung, solange sie rhythmisch ist“. Oder wie ein gender-studierter Geisteswissenschaftler-Polit-Freund mal gesagt hat: Ich bin für Emanzipation, denn emanzipierte Frauen sind selbstbewusster und deshalb viel besser im Bett. Da bleibt einem doch die Spucke weg.
Drittens. Männer, die sich als Feministen bezeichnen, wollen einem was wegnehmen. Sie wollen einem was wegnehmen, was sie gar nicht haben können. Oder kann ich als Weißer sagen, ich bin Black Power? Nee, kann ich nicht. Ich kann sagen, ich unterstütze eure Sache, weil ich die Schnauze voll habe, von diesen gesellschaftlichen Zuständen, weil ich mich selbst eingeschränkt fühle, von diesen identitären Zuschreibungen (hier hinkt der race-Vergleich), das kann ich alles sagen, und das ist auch im höchsten Maße wünschenswert, dass möglichst viele das sagen, aber ansonsten hab ich doch gefälligst zu kapieren, und damit zu leben, dass ich das Problem bin. Ich bin ein strukturelles Problem, ich bin ein Täter, das hab ich zu akzeptieren, ich kann jetzt nicht auch noch das Opfer sein wollen, den Opfern das Opfersein wegnehmen wollen. Sorry.