Eine der schönsten und traurigsten Geschichten in Transparent ist die von Josh und der Rabbinerin:
Josh, der jüngste Sohn der Pfeffermans, ist glücklich. Mutig und frei von der Leber weg glücklich. Endlich mal! Er hat jemanden gefunden, der dasselbe will wie er: Zusammen sein, ein Leben teilen, ein Haus bewohnen, eine Familie gründen. Eine Frau, mit der er ein Mann sein könnte. Und kein überforderter, sehnsüchtiger, haltloser, unsicherer, verwöhnter, dummer, sprunghafter Junge.
Dass es sich bei der Frau, die er liebt, nun auch noch um die Rabbinerin handelt, macht das Glück auch äußerlich so perfekt, dass es alle zum Lachen bringt. Denn natürlich ist das wie wohl für die meisten jüdischen Familien, auch für die Frauen in Joshs Familie (und nach dem Coming Out des Vaters als „Trans-Parent“ sind ja außer Josh nur noch Frauen übrig) eine Aufwertung, dass ihr Bubbele nun mit einer angesehenen Person der Jüdischen Gemeinde liiert ist. Oh my god, he is fucking the Rabbi! schreien seine Mutter und seine Schwester Sarah begeistert, als sie davon Wind kriegen, und Josh kann nicht anders, als zu lachen vor Stolz und Glück. Es ist, als sei plötzlich der Schleier weg und das Licht da, als habe sich etwas gefügt, und es gibt endlich jemanden, den er liebt, wirklich liebt, und nicht nur anschaut.
Da sind die Belastungen aus Joshs Vergangenheit. Ein fast erwachsener Sohn aus der Beziehung mit seinem viel älteren Kindermädchen erscheint plötzlich auf der Bildfläche. Harter Tobak für Josh und Raquel, so haben sie sich das nicht vorgestellt. Sie werden damit fertig werden. Sie bekommen ein Baby. Aber Raquel ist unruhig. Sie hat eine Liste. Sie will einen Mann, ein Kind, eine Familie, wie es sich gehört, und dazu gehört ein Ring an ihrem Finger. Josh weiß das, versteht das, nickt, sagt, ich kümmer mich drum.
Den ganzen glücklichen Tag lang denkt er darüber nach, wie er ihr einen Antrag macht, welchen Ring er für sie haben will und auch hier fügt sich alles perfekt. Er ist voller Energie, durchdrungen von seiner Idee, seiner Vorstellung. Dann kommt er nach Hause, in das Haus seiner Familie, das Haus in dem er aufgewachsen ist, in dem sie nun gemeinsam leben werden, eine Familie gründen werden. Raquel ist da, sie hat sich ein schönes Kleid angezogen, das Licht gedimmt, Josh, sagt sie, und verschränkt nervös, verlegen lächelnd, die Hände. No, sagt Josh, der ahnt, was kommt, da geht sie schon auf die Knie, No, sagt er, und sie klappt eine Schatulle mit Ring auf, beginnt feierlich zu sprechen, No, wait, sagt Josh entsetzt, versucht, sie aufzuhalten, sie hochzuziehen, sie spricht weiter, steuert auf das zu, was sie hier vorhat, was sie hier tun wird, was sie gleich sagen wird, auf die Katastrophe: Will you… – No! schreit Josh sie an, denn das ist falsch, so ist es falsch, You dont trust me! bricht es aus ihm heraus, der sich plötzlich und auf ewig beraubt sieht, seiner Vorstellung von diesem Antrag, seiner Liebe zu dieser Beziehung, seines inneren Bildes, dessen Realisierung er so sehr gebraucht hätte. I told you, I had this! fügt er hinzu, sagt es hinunter auf die am Boden kauernde Raquel, die weiß, was sie angerichtet hat,
I had this!
Es dauert noch ein bisschen, aber kurze Zeit später sind sie getrennt.