Gestern in der U8. Ich steig ein, spotte einen freien Platz, setze mich schwungvoll neben einen Typ. Im selben Moment schreit er los: Geh weg! Weg! Weg!, reißt mit einer Hand seinen Rucksack hoch, der zwischen uns liegt, als hätte ich ihn kontaminiert, mit der anderen Hand holt er aus und schlägt nach mir. Ich weiche aus, er trifft nicht, Hey! blaffe ich ihn an, stehe auf, gehe den Gang hinunter, bringe Distanz zwischen ihn und mich. Noch die nächsten zwei Stationen bis ich aussteigen muss, höre ich ihn auf seinem Platz toben und schreien: Weg! Weg! Weg! Die U8-ler wie immer stoisch. Was soll man auch machen.
Komisch, dass mein Crazy-Radar versagt hat. Der ist ja eigentlich gut trainiert und hoch entwickelt. Der Typ saß übertrieben menspreading mäßig auf seinem Platz, links und rechts von ihm war frei, obwohl die restlichen Plätze in der Bahn gut gefüllt waren. Allein das hätte mir zu denken geben müssen. Dann noch der betont barrieremäßig hingelegte Rucksack. Aber ich war im Schwung, hab mich selbst überholt, hab mich hinreißen lassen, von meinem Bedürfnis zu sitzen, meiner Freude, einen Platz zu ergattern. Ich war nachlässig. Ich hab meinen Cra-dar nicht eingeschaltet.
Als ich aussteige und nach Hause gehe, zittern mir ein bisschen die Knie. Das ist, weil er versucht hat, mich zu schlagen. Das ist, weil ich wütend bin. Das ist, weil ich ihn in meinem Kopf zurückschlage, ihn fertig mache, ihm die Fresse poliere, bis er auf dem Boden liegt, ihm den Arm nach hinten drehe und ihn festhalte und die Bullen hole, die ihn mitnehmen und einsperren, damit ihm irgendein Arzt eine fette Ladung Haldol verpassen kann, und er endlich seine verdammte Schnauze hält: Geh du doch weg!
Weil ich immer alle aushalten muss, aber niemand mich.
Weil ich ihn aushalten muss, aber er mich nicht.
Weil ich ihn aushalte, aber er mich nicht.
Weil er mich aushält, aber ich ihn nicht.