August 2023 – Schöne Frauen

Schöne Frauen lösen Sehnsucht in mir aus. 

Schöne Frauen sind nicht schön. Eher apart oder besonders oder gut gekleidet. Gut gekleidet spielt überhaupt eine wichtige Rolle bei schönen Frauen. Schöne Frauen sind jung oder alt. Die Sehnsucht nach ihnen ist leise und unbestimmt. Ein melancholisches Ziehen. Was ist das? 

Es ist nicht so, dass ich die Strecke bis da drüben, bis dorthin, wo die schöne Frau sitzt, steht oder lehnt, zuhört oder gestikuliert, gerne überbrücken würde. Dann wär das Ziehen weg. Dort, wo sie sitzt oder steht, sitzt oder steht sie gut. 

Ich wäre ihr nur gern nah. Ich wäre nur gerne wie sie. Ich wäre gerne eine schöne Frau, alles wäre leichter. Es ist mir nicht gegeben. So zu sein wie sie. Das ist es, wonach ich mich sehne. Die schöne Frau ist eine Möglichkeit, eine der vielen Möglichkeiten. Zu sein. Wie sie. 

Ich sehe sie und sehne mich. Ich sehe sie, wie ein Mann sie sieht, ich sehe, wie ein Mann sie sieht, ich sehe, wie ein Mann sie sehen könnte. So wie ich. Ich betrachte die schöne Frau. Ich schau nach ihr, immer wieder. Heimlich. Verstohlen, hole ich mir etwas von ihr, ihrer Idee. 

Wenn ich nur bei ihr wäre, in ihrer Nähe, ihr nah. Dann wäre ich gesünder, es ginge mir besser, man hätte es leicht mit mir, so schön wäre ich, so leicht. Ich wäre aufgehoben. Im Club der schönen Frauen. Ein Club, der da ist, auch wenn er sich nicht trifft. Die schönen Frauen sind allein. Sie brauchen niemanden. Sie sind mit anderen, aber sie brauchen niemanden. Ich sehne mich nach ihrer Ruhe, ihren Gedanken, ihrem Wissen, ihrer Balance, ihrer Autarkie. Ich sehne mich nach ihnen wie nach einem anderen Ich. Nach einer Freundin. Einer Mutter. Meine Sehnsucht ist die nach einer Mutter. Einer schönen, klugen, starken, selbständigen Frauen-Mutter. Eine Sehnsucht nach einem Bild vor mir, einem Vor Bild. Nach einer Mutter als Ort. Eine Mutter, die dort drüben steht und lehnt und gestikuliert. Eine Mutter, die frei ist und verbunden. Mit mir, mit anderen. Es ist diese Sehnsucht, die tief in mir vergraben ist, die sich über eine Leerstelle beugt, wie eine Brücke über einen tief unten liegenden See.