Ich steh vor einem Regal und guck Verpackungen. Spricht mich ein Typ von der Seite an, Mitte 50, weiße Haare, Brille, und sagt: Entschuldigen Sie, ich finde, Sie sind attraktiv, hätten Sie vielleicht Interesse mit mir einen Kaffee trinken zu gehen? Oh, sage ich, und werde rot wie eine 13jährige, das ist sehr schmeichelhaft, aber ich hab leider einen Freund. Als er um die Kurve ist, guck ich wieder Verpackungen, aber diesmal seh ich nichts.
Das ist, weil ich weine.
Ich weine, weil es eine Lüge ist, dass ich einen Freund habe.
Ich weine, weil die Lüge vor kurzem noch die Wahrheit war.
Ich weine, weil er seinen Mut zusammen genommen hat.
Ich weine, weil ich ihn nicht attraktiv finde.
Ich weine, weil ich versucht habe, nett zu ihm zu sein.
Ich weine, weil er einsam ist, wie Tausende andere.
Ich weine, weil ich wie Tausende andere bin.
Ich weine, weil es so schwer ist, jemanden zu finden, der zu einem passt.
Ich weine, weil ich das hatte und das vorbei ist.
Ich weine, weil das Spiel, das gespielt werden muss, eines von Hoffnung und Zurückweisung ist, bis in alle Ewigkeit Amen.
Ich weine, weil er mich gesiezt hat.
Ich weine, weil das jetzt meine Welt ist.
Ich weine, weil ich vor dem Gesundheitsregal stehe.
Ich weine, weil zwei Regale weiter eine junge Frau vor den Kondomen steht.
Ich weine, weil ich keine Freude daran habe, dass mich jemand angesprochen hat.
Ich weine, weil mir das Neue nicht aufregend, sondern abgestanden und mühsam erscheint.
Ich weine, weil es T. ganz anders geht.
Ich weine, weil ich gern mal wieder Sex hätte.
Ich weine, weil ich nicht weiß, wie das jemals gehen soll,
ohne zu weinen.