Frau M. ist neunzig Jahre alt, hat ein sehr hübsches, hell strahlendes Gesicht und ganz weiße Haare. Die trägt sie in einem coolen, fedrigen Kurzhaarschnitt, das zusammen mit den Hemden, die sie in ihre Jeanshosen steckt, gibt ihr ein insgesamt apartes, leicht lesbisches Aussehen. Jaja!, sagt sie, wenn man ihr was erzählt, Jaja! In so einem bestätigenden Ton von wegen Natürlich ist das so, klar!
Sie war Mathelehrerin, erst unter Hitler, dann unter Ulbricht. Bis 58 hat sie hier in der Waldsiedlung gewohnt, also noch bevor Honecker und Konsorten da eingezogen sind. Dann ist sie nach Berlin-Ost, um ihre Mutter zu unterstützen, und nach der Wende zu ihrer Tochter nach Franken, wo sie als Versicherungsmathematikerin gearbeitet hat.
2 und 2 bleibt immer 4, sagt sie, egal wer grade dran ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob sie recht hat. Aber ich mag sie trotzdem.