August 2020 – lesen

Ich freue mich so sehr darüber, dass ich gerade lesen kann.

Ich lese: Allegro Pastell von Leif Randt, Das Adressbuch von Sophie Calle und Erinnerung eines Mädchens von Annie Ernaux, deren Die Jahre ich (logischerweise) großartig fand.

Allegro Pastell tuts mir nur langsam, aber dann doch an. Wegen Allegro Pastell fange ich noch Gespräche mit Freunden von Sally Rooney, weil es mir in Bezug auf Generation, Milieu, Stil ähnlich zu sein scheint, aber von einer Frau geschrieben ist.

In beiden Büchern tritt einem eine extrem entspannte und dennoch hoch reflektierte, emotional reif wirkende Generation entgegen, die klug und begabt ist, kein schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern hat, einen guten Zugang zu ihren Gefühlen, ihrer Sexualität und ihren Drogenerfahrungen, und die Verhältnisse selbstverständlich kritikwürdig findet. Männer und Frauen tun sich nicht mehr viel.

Mit G. diskutiere ich über die verpasste Liebesgeschichte in Allegro Pastell, die mich irre macht, weil sie mir der ewigen Bezugnahme auf die eigene emotionale Lage geschuldet ist, und diese Ego-people nicht kapieren, dass da grade was Größeres als sie selbst passiert, dem man sich dedicatend muss. In ihrer Feinheit der Wahrnehmung und SChilderung kleiner, aber bedeutungsgebender Bewegungen in Situationen und Kommunikationen sind sich beide Bücher ähnlich. Trotzdem ist mir Fleabag, gleiche Generation wie Randt und Rooney, näher, hart, zynisch und menschenverachtend.

Folgendes behalte ich aus persönlichen Gründen:

„In der Kindheit folgte das Leben einem scheinbar mystischen Plan, der vor allem auf den Entscheidungen der Erziehungsberechtigten beruhte, und später basierte das eigene Handeln auf den Fehlentscheidungen jener Erziehungsberechtigten. Zudem konnte man nur im Rahmen seiner kognitiven, emotionalen und finanziellen Möglichkeiten agieren.“

Aus: Allegro Pastell von Leif Randt

„Er wusste jetzt, dass er mit Marlene in Zukunft okayen bis sehr guten Sex haben könnte. Dass sie älter war als Tanja, ließ sich höchstens an ihrem Hals erahnen und vielleicht auch, wenn sie lächelte.“

Aus: Allegro Pastell von Leif Randt

„Es war kein Scherz gewesen, als ich zu Philip gesagt hatte, ich würde keinen Job wollen. Ich wollte keinen. Ich hatte keinerlei Pläne, was meine finanzielle Zukunft anging: Ich hatte nie Geld mit irgendwas verdienen wollen. (..) Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich. Andererseits fand ich, dass mein Desinteresse an Reichtum ideologisch gesund war. Ich hatte nachgesehen, wie hoch das durchschnittliche Jahreseinkommen wäre, wenn das Weltbruttosozialprodukt gerecht auf alle verteilt wäre, und laut Wikipedia läge es bei $ 16 100. Ich sah keinen Grund, weder politisch noch finanziell, warum ich mehr als diese Summe verdienen sollte.“

Aus: Gespräche mit Freunden von Sally Rooney