Im Spielzeugladen in den Schönhauser Allee Arkaden, ich stehe, Mission Geschenk kaufen, vertieft ins Angebot vor einem Regal. Spricht mich eine Frau an. Sie ist jung, Mitte 20, hat lange braune, gut frisierte Haare, ein ansprechendes Gesicht. Sie trägt enge blaue Jeans und eine taillierte Steppjacke:
Entschuldigen Sie, wissen Sie, wo die hier Brettspiele haben.
Nein, tut mir leid,, sage ich und lächle sie an.
Sie haben eine sehr positive Aura, sagt die junge Frau.
Einfach so. sagt sie das. Ich bin total überrascht. Danke, sage ich und lache. Ich freu mich.
Nein, wirklich, sagt sie, das sieht man, das ist schön.
Danke, sage ich. Es ist nett, sowas zu hören.
Möchten sie mehr darüber wissen?
Jetzt, aber wirklich jetzt erst, fällt bei mir der Groschen.
Ich könnte Ihnen aus der Hand lesen, sagt sie wie zur Bestätigung.
Wow. Ich bin total perplex. Nie hätte ich gedacht, nie, dass das darauf hinausläuft. Dabei halte ich mich in Sachen Streetstyle-Anmache für relativ abgebrüht, begegne diesen Dingen alltagsroutiniert Berlin flow eben, unterwegs in der Stadt.
Nein, danke, sage ich.
Zwei Tage später, Schönhauser Allee Arkaden.Ein junge Frau, Mitte zwanzig, lange schwarze Haare, gut gekleidet, von Altenpflege-Ausbildung bis Wirtschaftsschule ist alles drin, fragt mich im Vorbeigehen: Möchten Sie, dass ich Ihnen aus der Hand lese?
Okay!, ein neues Konzept, eine neue Ära in der Geschichte der Straßenverkaufsmethodik. Junge, vom Schmuddelimage so weit wie möglich entfernte Sinti- und Romafrauen, die den Laufkundinnen in den Schönhauser Allee Arkaden anbieten, aus der Hand zu lesen. Wie oft klappt das, was kostet das, wo geht man hin mit denen, macht man‘s gleich hier vor Ort oder geht man hinters Haus? Damn, ich bin zu feige, das auszuprobieren. Denn natürlich frage ich mich: Was hätte sie in meiner Hand gelesen? Und was hätte sie gesagt, wenn sie mit einem Blick in meine Hand gesehen hätte, dass meine Aura alles andere als positiv ist?
Well, das hat sie längst gewusst.