Mai 2024 – Japan im Mai – Tourismus-Broschüre

In Kanazawa finde ich eine kleine Broschüre, die Touristen darüber aufklärt, wie sie sich verhalten sollen. So ist das hier. Das ist das Grundprinzip. Nicht-Japaner, Touristen, gaijins (Fremd-Menschen, höflich: gaigokujin: Fremd-Land-Menschen, aber das sagt eigentlich keiner) wissen nicht, wie man sich in Japan verhält. Man muss es ihnen erklären, beibringen, damit sie erträglicher sind, weniger Störfaktor in den Abläufen. So ist die Setzung, das ist die Basis. Bei uns wäre diese Haltung (Reizwort „Leitkultur“, die sollen sich anpassen) nicht denkbar, bzw. problematisch, weil sie als xenophob bis rassistisch empfunden würde.

Touristen, Ausländer sollen das Land nicht prägen, nicht verändern, sie sind willkommen, aber sie sollen auch wieder gehen. Sie sollen temporär anwesend sein, und wenn sie da sind, sollen sie sich einfügen, sich benehmen, damit niemand in seinem Alltag allzu sehr gestört werden. Es ist oft lustig, was die Fremden alles nicht wissen, was sie falsch machen, wo das doch so logisch ist, wie man es macht. Aber manchmal nervt es eben einfach auch, sie sind anstrengend, diese zur Rücksichtslosigkeit, zum Lautsein und zum ausgelebten Individualismus neigenden Anderen. Sie wissen nicht, dass man in der Ubahn den Rucksack nach vorne nimmt oder zwischen die Beine stellt, dass man nicht laut spricht, dass man im Café seine Tasche nicht auf den Tisch stellt, sondern in extra dafür bereit gestellte Körbe, dass man im Gehen nicht isst oder trinkt, dass man seinen Müll in der eigenen Tasche mit nach Hause nimmt. Also muss man es ihnen erklären, mit Schildern auf dem Markt und in der U-Bahn oder eben in dieser Tourismus-Broschüre, die über das „normale“, das erwünschte Verhalten aufklärt. Es muss also ein kollektives Wissen darüber geben, was dieses Verhalten ist. Ein Wissen darüber, was „Japanisch“ ist. Ich glaube nicht, dass das in Deutschland so ist. 

Mich entspannt das. Ich bin gerne die Fremde, die sich anpasst. Die lernt, wie man sich benimmt, die es unangenehm findet, es nicht zu wissen, der es gefällt, darüber aufgeklärt zu werden, wie man sich in bestimmten Situationen verhält, wie etwas „üblich“ ist. Für mich ist Japan ein Seminar, ein Kurs. Erst spät regt sich ab und an Widerstand bei mir und ich mache nicht immer meine Hausaufgaben.

Dass die Japaner Rassisten sind, darüber ist oft gesprochen worden. Doch wie immer ist auch das komplex und widersprüchlich, und Japan ist, wie alle Länder auf seine sehr eigene Weise rassistisch und xenophob. Shinzou Abe jedenfalls, der rechtskonservative bis rechtsextreme, jahrzehntelang immer wieder gewählte Premierminister Japans, hat das Land auch während der Flüchtlingskrise dicht gehalten und zwischen 2013 und 2018 laut Wikipedia 134 Flüchtlingen Asyl gewährt. 

Es ist natürlich ein Unterschied, ob man eine schön gestaltete, in freundlichem Ton verfasste Tourismus-Broschüre in der Hotelauslage findet oder einen abgelehnten Asylantrag in die Hand gedrückt bekommt.