Juni 2020 – Fundbüro

Post vom Fundbüro: Eine Geldbörse wurde gefunden und es gibt Grund zur Annahme, dass es ihre ist. Hell yeah ist das meine, vor über 6 Monaten geklaut worden ist mir meine „Geldbörse“, 70 Euro hab ich gelatzt, um Führerschein und Pass nachzumachen, ewig hats gedauert, bis alles fertig war, Fahrkarte!, 10er Karte fürs Schwimmmbad!, Krankenkassenkarte, Coffee-shop Rabattkärtchen, der ganze schöne Shit: weg! Geld war nicht viel drin, nur so 12 Euro. Niemals nicht wäre ich auf die Idee gekommen, beim Fundbüro nachzufragen. Voll 1950. Dass das nicht eingestellt wurde, zusammen mit dem Telegramm-Service Ich also: Anruf beim Fundbüro. Nie geht jemand dran. Ich also: Hingehe zum Fundbüro. Die Schlange ist so lang, dass der Typ am Eingang sagt: Da warten sie zwei Stunden. Ich also: Wieder nach Hause. Dann also: Hingehe nochmal zum Fundbüro an einem anderen Tag, die haben nur zweimal die Woche auf, jeweils drei Stunden. Ich diesmal schlau: eine halbe Stunde vor Öffnungszeit bin ich da und ich bin nicht die erste in der Schlange, schon drei Leute vor mir. Eine ältere Frau, dies am Knie hat, mischt die Schlange auf. Sie quatscht launig Vordermänner und Hinterfrau an, aus Brandenburg ist sie angereist, mit ihrem Knie. Am Hauptbahnhof wurde sie überfallen – jemand hat den Reißverschluss an ihrem Rucksack aufgezogen und den Geldbbeutel rausgeholt, was man halt so Überfall nennt.

Endlich geht die Tür auf. In der Schlange inzwischen 20 Leute. Wir werden eingeteilt: Die Geldbörsen und die Handys sind Schalter 1. Die Fahrräder sind hinterm Gebäude und Leute, die einfach fragen wollen, ob ihre geklauten/verlorenen Sachen abgegeben wurden sind Schalter 2. Die Frau bekommt keinen Stuhl, trotz des Knies, denn, so der Türsteher (Körperauftritt in Polizeimanier): Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Wir sind im Flughafen Tempelhof. Dort ist die Polizeit, ich kapiere: Das Fundbüro gehört zur Polizei! Macht Sinn. Ich lerne: Wenn man was findet, und keiner holt‘s ab, dann kriegt mans nach einigen Jahren. So wie der Typ vor der älteren Frau. Als er rauskommt – alles geht hier im üblichen behördlichen Berliner Schnarchtempo, zieht er eine Rolex aus einem Etui. Vor zwei Jahren hat er sie gefunden, jetzt hat er sie abgeholt: Wert: 18.000 Euro! Er sieht aus, als hätte er es verdient und als wäre das der beste Tag seines Lebens.

Als ich dran komme, sehe ich, im Flur vor den Schaltern hätten sie Stühle gehabt für die Frau mit dem Knie. Man kanns auch übertreiben mit den Corona-Abständen. Ich warte vor Schalter 1. Keiner kommt. Irgendwann linst einer von hinten um die Ecke. Wieso ich nicht klingle? Ich so: äh, wie bitte?, kann einem das mal jemand sagen?! (Hinter mir in der Schlange sichtbar 20 Leute!) Ich dachte, der arme Typ ist da alleine, aber mein Eindruck ist: Die sind eigentlich ganz gut besetzt. Faule Behördenbande. Ich halte dem Typ hinter Glas meinen Zettel hin. Sie sind die Verliererin? fragt er mich. Was soll man da sagen: Ja, klar, ich bin die Verliererin, Verliererin ist mein zweiter Vorname.

Beim Lidl ist die Geldbörse gefunden worden, wo ich nie war. Das Geld ist sauber ausgeräumt, nicht ein Centchen mehr drin, alle Ausweise und Karten sind da. Fine with me, da hat sich jemand für 12 Euro schön bei Lidl was zu essen gekauft und die Geldbörse einfach fallen lassen. Und beis Lidls haben sie wahrscheinlich irgendwann endlich mal die Findekiste voller verlorener Handys und Geldbeutel und Schirme und Fahrräder zum Fundbüro gebracht. Ich freue mich, meine Bäderkarte wieder zu sehen, da sind nämlich noch ordentlich Schwimmbesuche drauf und vor allem über den Geldbeutel selbst. Den mochte ich nämlich gerne. I love Fundbüro! Bitte nicht einstellen.