Juni 2016 – Die Patin

L. fragt mich, ob ich Patin werden möchte. Ich freue mich sehr, bin aber auch überrascht. Ich bin weder in der Kirche, noch religiös, das weißt du, sag ich. Er: Macht nichts, Pfarrer (katholische Kirche) locker, alles kein Problem.

Kurze Zeit später schreibt meine (evangelische Paten)Tante: Sie freut sich, dass mal wieder jemand getauft wird, ihre Enkelkinder hatten das alle nicht, und ich Patin, toll! Ich denke, ja, aber vielleicht nochmal klar stellen: Ja, freu mich auch sehr, finde das einen schönen Gedanken, zwei Menschen, Figuren, die man so einem Kind an die Seite stellt, die nach ihm schauen, eine Verbindung zu ihm aufnehmen, werde das auf meine Weise interpretieren, denn: Ich bin ja nicht religiös und auch nicht in der Kirche, ne? (ausgetreten mit 18)

Dann denke ich: Was schreib ich das meiner Tante, schreib ich doch mal lieber L., wie ich die Patenschaft verstehe, und ob das so klar geht mit ihm, ihnen, dem Pfarrer.

L.: Ja. Danke für Deine Worte. Genau.

Kurz vor der Taufe, ich hab inzwischen viele Stunden damit verbracht aufgeregt ein sehr ideelles Taufgeschenk zu basteln, bittet mich L. am Telefon eine Taufkerze mitzubringen und die schnell zu bestellen, sonst haut das nicht mehr hin. Sie waren im zwei wochenendlichen Taufkurs, außerdem will er nochmal mit mir den Ablauf durchgehen, das scheint ihm besser. Er meldet sich am WE nochmal.

Es scheint ihm besser.

Ich kaufe schnell die säkularste Kerze, die ich finden kann (Leuchtturm, schön).  Als wir uns endlich wegen des Ablaufs erreichen – am Vorabend meiner Abfahrt dorthin – er ist müde und fertig von der vielen Arbeiterei – liest er mir am Telefon vor, was ich sagen muss. Ich muss also doch was sagen. IN einer Art ritualisiertem lautem Dialog zwischen Pfarrer und Eltern/Paten. Bei „Wir erbitten die Taufe“ gehe ich noch mit, bei „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“ verschließt sich langsam mein Magen, ein Kreuz soll dem Täufling von den Paten auf die Stirn gemalt werden, und als dann noch das Wort vom Satan fällt, dem ich wiedersagen soll, und vor dem ich das Taufkind beschützen soll, da platzt es spontan aus mir heraus: L., das pack ich nicht.

L. organisiert in aller Hektik und Anspannung einen anderen Taufpaten.

Ich weine bei T. am Telefon. Wieso nur, nimmt mich das so mit? Mein Bruder hat sich etwas gewünscht von mir, etwas, was ihm wichtig war, und ich konnte es ihm nicht geben. Vielleicht auch. Er wollte mich drin haben, in dieser Familie, und ich hab es wieder mal vorgezogen draußen zu bleiben. 

Wir haben es beide geahnt, wir haben es beide hinausgezögert bis zum letzten, traurigen Moment. Ich respektiere seine neu gewonnene Nähe zur Kirche. Ich kann nicht so tun, als hätten diese Zeremonien keine Bedeutung und seien nur eine bürokratische Hürde. Wenn ich das Glaubensbekenntnis gesprochen hätte vor versammelter Mannschaft, und gesagt hätte, ich wiedersage dem Satan, dann wäre ich dort zu Staub zerfallen wie ein Vampir. Was wäre ich für ein Vorbild für meinen Neffen.

Der Pfarrer in der Kirche gibt sich alle Mühe, offen und tolerant zu wirken. Er erklärt Bedeutungen und ihre Entstehungsgeschichte.

Ich weiß von der ersten Sekunde an: Es war die richtige Entscheidung.

Ich werde eine gute, ideelle Tante sein.