Ich sitze im Buchladen, trinke Kaffee und lese Zeitung. Kann man da. Ein etwa 14jähriges Kind, Mädchen oder Junge ist nicht klar, wird auch nicht klar werden, ist es ein statement, eine Transformation, eine sexuelle Orientierung?, you never know, ein echtes wokes gender-Kid jedenfalls, den Pony lang über den Augen, als Versteck fürs Gesicht, den mageren Körper irgendwo unterm überdimensionalem Shirt und den Hosen, rührt mich sofort. Es steht neben der Buchhändlerin und schaut mit ihr in die Auslage. Die Buchhändlerin bespricht eine Aufgabe – Schülerpraktikum. In der Auslage liegen Schulbücher, Sprachbücher und anderes zum baldigen Schuljahresbeginn, high season für Buchläden.
Die Buchhändlerin bittet das Kind, die Bücher alle auszuräumen, Fläche und Bücher abzustauben und dann wieder einzuräumen wie es ihm gefällt. Das Kind setzt sich auf den Boden und macht sich an die Arbeit. Buch für Buch nimmt es heraus, betrachtet jedes einzelne, dreht es um, wenn es ihm interessant erscheint, studiert den Buchrücken, staubt jedes Buch ab, vorne und hinten, mit einem Staubwedel, den man ihm gegeben hat. Sorgsam, interessiert, mit einer Ruhe und Kontinuität, die mich erstaunt. Nicht einmal blickt es hilfesuchend oder unsicher hinter seinem Pony hervor, ich sehe nur seinen knochigen Körper, seine unaufgeregte Konzentration auf die Aufgabe. Mir kommen die Tränen. Was kann dieses Kind von sich sehen? Ich weiß es nicht. Aber ich finde es wundervoll. Wie muss es sein, ein solches Kind zu haben, was für ein schmerzhaftes Ziehen muss das sein.
Am Ende hat es alle Bücher wieder ausgelegt. Es nimmt noch kleine Veränderungen vor, legt das lieber zu dem, die beiden ein bisschen weiter weg, ich weiß nicht, nach welchem System. Es geht nach draußen, das Kind, um die neue Auslage nochmal von außen zu kontrollieren. Es kommt zurück und schubst ein Buch noch ein bisschen gerade. Dann geht es zur Buchhändlerin. Die geht mit ihm raus und nickt die Auslage ab.
Ich wende mich wieder konzentriert der Zeitung zu und verliere das Kind aus den Augen. Es wird schon werden.