Juli 2014 – Sozialhorst

Teil I
Ich bin auf einem Geburtstag eingeladen. Ein Mädchen, das ich mag. Mit dem ich irgendwie wenn auch von ferne aber doch befreundet bin.
Sie hat ein Kind. Einen festen Freund. Eine Eigentumswohnung. Sie interessiert sich für ethische Tiere und vermüllte Umwelt. Also bis auf das zweite alles anders als ich.

Ich bin zwei Tage lang nervös, denn man soll was mitbringen. Ich überlege Kuchen. Wälze Kochbücher, Kochhefte, Koch-Internet, was Einfaches, was Schnelles, was was nicht schief geht? Was Aufwändiges, was Cooles, was was mir Spaß macht? Sie hat gesagt, kein Stress. – Ich kaufe ein neues Kochbuch.

Endlich entscheide ich mich, gehe einkaufen, am Tag des Tages. Ich backe den Kuchen. Der will nicht so wie das Rezept sagt. Ich lass ihn drin. Noch immer ist er butterweich. Ich lass ihn noch mehr drin. Ich werde unruhig. Der ist zu feucht, aber jetzt wird er bestimmt zu trocken. Was mach ich dann? Eigentlich wollte sie ja auch lieber Salat mitgebracht haben, so in den Abend reingedacht. Ich hatte nur mehr Lust auf Kuchen backen. Aber sie hat doch Geburtstag, da sollte sie bekommen, was sie will. Wann geh ich denn da jetzt hin? Ab 5 geht‘s los, aber was heißt das? Wann geht man denn dann hin, um 5 oder um 8? Um fünf vor 5 mach ich einen Salat.

Teil II
Ich bin da und von der ersten Sekunde an ist alles pretty awkward. Kann sein, dass das auch mit meiner bereits instabilen Kuchenverfassung zu tun hat (da steh ich, voll übertrieben, mit Kuchen und Salat und Mitbringsel, wie needy ist das denn). Keine ihrer Freundinnen ist alleine da, keine. Es sind nur Paare da und vor allem: Kinder. Die rennen rum und pinkeln auf den Boden und sind süß und im großen und ganzen verständig. Teilweise hängen sie noch an Brüsten rum, teilweise rennen sie schon kreischend auf und ab oder heulen, weil es nicht ihr Geburtstag ist. Die Männer sind Architekten und Filmemacher und wenn sie jetzt noch nicht da sind, dann kommen sie gegen später dazu, von der Arbeit. Man kennt sich von früher, vom Studium oder aktuell aus dem Kinderladen und alle sind sehr nett und sehen gut aus, aber gucken komisch. Ich weiß nicht, was ich reden soll, fragen soll, für was ich mich interessieren könnte. Ich denke nach bis sich meine Stirn runzelt, aber mir fällt nichts ein. Im Grunde scheint Sprechen aber auch nicht so wichtig zu sein, denn nach Halbsätzen unterbrechen Kinder sowieso quer das angefangene Gespräch. Es geht um Bauprojekte, Wohnungen, die zu klein werden, weil das zweite Kind da ist oder demnächst kommt, um Häuschen im Grünen. I’m an Alien. I’m a legal Alien. Vielleicht bin ich auch ein bisschen enttäuscht. Ich wusste, dass es ein bisschen so wird, aber dass es so doll so wird und gar kein bisschen anders?

Die Wohnung ist schmerzhaft schön. Also wirklich schön, cool geschnitten, toller Balkon im Dach drin, gut eingerichtet, und hat wahrscheinlich in der Lage ne halbe Million gekostet.
F. und ihr Freund sind saunett. Von guten Eltern. Mit Gespür für meine Lage. Trotzdem oder deswegen: So geht’s nicht und ich muss hier raus. Auf der Straße kommen mir die Tränen von der Anstrengung. Ich rufe T. an und texte ihn zu. Der versteht mich.

Ich bin okay mit meinen Entscheidungen. Doch die Strukturen sind stark und lassen niemanden kalt. Nichts an diesem Leben triggert einen Wunsch in mir an (außer die Wohnung). Aber normal ist das nicht. Das kann mir keiner erzählen.