April 2024 – Im Zug mit schöner Mutter

Ich fahre nach Süddeutschland. Ich freue mich sehr auf die Zugfahrt, ich werde schreiben! Im Zug schreiben ist herrlich, taktak taktak, da läufts immer so gut. Ich muss vorankommen außerdem, ein gutes Stück, die Fahrt ist lang, ich hab ne gute Chance, eine große Portion zu schaffen. 

Alles läuft perfekt: Der Zug ist pünktlich, steht auf dem richtigen Gleis, ich entere meinen Waggon: Ruhebereich!, ich hab reserviert, kein Risiko wollte ich eingehen, beim Ticketbuchen waren mir zu viele Männchen angezeigt bei der Belegung, mein Platz ist frei. Ich sitze! Am Gang, so, wie ich es mag. Später vielleicht noch schön ins ICE-Restaurant, aber jetzt erstmal direkt hier den Laptop aufgeklappt, das Dokument geöffnet, die Finger gereckt und gestreckt, die Hände über die Tastatur. In diesem Moment höre ich von hinten Kindergebrüll. Oh nein, denke ich noch, schon nähert sich das Gebrüll unerbittlich und ein Buggy mit einem Zweijährigen, das Gesicht unschön verzerrt vor Wut und Empörung, schiebt sich genau in meine Sichtachse und … hält. Ich stöhne genervt auf, ich kann nicht anders, dem Kind praktisch direkt ins Gesicht. Dahin mein Plan, dahin die Ruhe, dahin die entspannte Zugfahrt und das Aufholen bei der Arbeit. Ich drehe mich um und sehe die Mutter, die versucht das Kind zu beruhigen, das andere, nur wenig ältere Kind, das sie auch noch dabei hat, auf den Platz hinter mir zu hieven, den Buggy zu zu klappen, das restliche Gepäck zu verstauen – und stelle erschrocken fest, dass ich sie kenne. Ich schäme mich fürchterlich. Denn natürlich hat sie mein genervtes Stöhnen gehört. 

Etwas später, als sie sich installiert, das Kind sich beruhigt hat, alle auf Brezeln kauen, Getränke, Spiele, Stofftiere haben, gebe ich mich zu erkennen und wechsele ein paar Worte mit ihr. Natürlich ist sie auch noch eine Freundin von T.. Wir haben uns lange nicht gesehen, außer mal irgendwo kurz grüßend. 

Sie erklärt, sie habe keine Reservierung mehr im Familienabteil bekommen. Es schmerzt mich, dass sie sich quasi entschuldigt, und mein schlechtes Gewissen wird noch größer. Sie fragt mich, ob ich immer noch Drehbücher schreibe. Worüber ich mich im Stillen ärgere. Dann frage ich sie, was sie so gemacht hat. Sie zeigt stumm auf die beiden Kinder. Du liebe Zeit, geht das alles noch peinlicher. Das wird nichts mehr mit uns heute. 

Beim Aussteigen helfe ich ihr. Kind an die Hand, Rucksack auf den Rücken, ist das ein Stress und Geschleppe. Draußen stehen ihre Eltern und holen sie ab. Irgendwann hat sie mir auf einem Festival mal etwas Schönes, fast Zärtliches gesagt. Natürlich unter MDMA-Einfluss. 

Als es vorbei ist, wir uns rasch verabschiedet haben und ich das Gleis hinunter laufe, um den nächsten Zug zu erwischen, stöhne ich nochmal. Diesmal ist es mehr ein Seufzen und geschieht aus anderen Gründen.