April 2018 – Bizarro World

Kürzlich lese ich im Vorbeigehen auf einem Plakat was über einen Frauenmarsch. Ich bin überrascht, hab ich gar nix von mitgekriegt, womöglich muss ich da ja hin?

Als ich recherchiere, sind das die Rechten.

Ich stoße auf Leyla Bilge und staune. Sie ist AfD-Mitglied und hat den Frauenmarsch ins Leben gerufen. Sie ist Tochter kurdischer Eltern, 2017 zum Christentum übergetreten, alleinerziehend, hat einen fast erwachsenen Sohn. Sie macht sich für ein Burka-Verbot stark. Vor einiger Zeit hatte sie einen Auftritt im Reichstag, bei dem sie in eine Burka gehüllt ans Rednerpult getreten ist. Dann hat sie sich vor den „Altparteien“ – so der AfD-Jargon – die Burka ausgezogen und drunter war ein Minikleid in Deutschlandfarben. So oder so ähnlich hat sich’s zugetragen, was genau davon behauptet und was tatsächlich passiert ist, lässt sich nicht mehr verifizieren. Versatzstücke davon, z.B. das Deutschland-Minikleid und auch die Burka-Enthüllung finde ich noch auf Fotos/Videos ihrer Auftritte.

Bei der Demo geht es um Frauenrechte. Das heißt bei Bilge/der AfD: Frauen sollen sich wieder sicher fühlen können auf der Straße und wenn sie nachts nach Hause gehen. Geschützt werden müssen sie vor den machistischen islamischen Männern, die Frauen nicht respektieren. „Als wir noch Deo statt Pfefferspray in der Handtasche trugen“ ist einer der Claims, den ich finde. Bei der Demo, so wird später gelästert, waren nur ein Drittel Frauen anwesend.

Bei der Demo ist die Antifa am Start, macht eine Gegendemo. Also mainly male und links demonstriert gegen migrantische, kurdische, alleinerziehende Frau, rechts. Wie schräg das alles ist! Was für Überlagerungen da gerade stattfinden! Weird and wild.

Auf eine Frauendemo gehen, heißt also dank AfD nicht mehr automatisch, für was Sinnvolles einzutreten, es heißt unter Umständen auf ein verkapptes rechtsradikales, islamfeindliches, rassistisches, deutschfrauentümelndes Anti-Flüchtlings-Event zu gehen. Die drehen uns das Wort im Mund um. Frauenrechte, my ass. Diese ganzen Pegisten und AfDler, die so unlogisch wie problemlos Gauland, Lesben und kurdische Migrantinnen in sich vereinen, haben uns die Themen längst unterm Arsch weg gezogen. Weil wir sie nicht klug genug besetzt haben, nicht schnell genug, nicht genau genug, nicht klar genug.

Muss ich jetzt immer für das sein, wogegen die AfD ist?

Muss ich eine liberale Muslima wie Seyran Ates, die von anderen Muslimen mit dem Tod bedroht wird, weil sie die Burka (und die Haltung der Linken und der Grünen zur Burka) problematisiert, weil sie ein Problem mit den Kinderehen, dem gepredigten Konservatismus und Chauvinismus des Islam hat und als Frau eine Moschee eröffnet hat, jetzt für ne Rechtsradikale halten?

Muss ich jemanden wie den Journalist Constantin Schreiber, der in Syrien gelebt, im Libanon und in Somalia gearbeitet hat,der  arabisch spricht und die deutsch-arabische Sendung Ankommen in Deutschland produziert hat, als islamophob bezeichnen, weil er sich im Rahmen einer Reportage die Predigten in Moscheen angehört hat und feststellen musste, dass dort gegen Christen und Ungläubigen gepredigt wird und dass Frauen, Homosexuelle und  Juden dort gar nicht gut wegkommen?

Gestern war ich auf einer Veranstaltung bei der es um Filmförderung ging. Also was völlig anderes, Lapidares. Sagt einer der Podiumsgäste, man müsse aufpassen, mit der Kritik an der Filmförderung, weil man sich da mit AfD-Positionen gemein mache.

So kann, so wird es nicht funktionieren.

Wenn die AfD morgen ein Gesetz zur Rettung der deutschen Gewässer fordert oder zum Erhalt des bedrohten deutschen Eichhörnchens, muss ich dann sagen: ich bin gegen Gewässerschutz und das Eichhörnchen ist mir egal? Nee, ich muss sagen: Bin ich dafür, aber ob das Gewässer und das Eichhörnchen deutsch sind, das ist mir egal.

Auf die Argumente kommt es an. Liebe Kinder, gute Nacht.