Januar 2025 – Der Nachbar

Mein Nachbar von obendrüber quält mich. Er gefährdet mein Wohlergehen, meine psychische Stabilität, ja, sogar meine Beziehung. Das macht er jetzt schon sehr lange. Zweimal hab ich mit ihm gesprochen, dreimal hab ich ihm einen Zettel in den Briefkasten gelegt. Er hat 24 Stunden auf Koks mit irgendeiner Kreisch-Tussi gefickt, jede vorhandene Tür  sowie Schublade um jede mögliche Uhrzeit knallen lassen, er ist nachts um 2, morgens um 5 oder mittags um 12 auf seinem Laufband gerannt, das ein stetes Maschinengeräusch in mein Schlafzimmer gepumpt hat, sein Bett hat nächtelang ungelogen ununterbrochen ein knarzendes Geräusch von sich gegeben, als wäre es aus dünnem Holz, er hat Techno gehört, so telefoniert, dass ich alle seine Thesen verstanden habe, ständig habe ich neue Leute im Haus gesehen – Airbnb?, Zigarettenstummel auf meinem Balkon gefunden, die man dort nur absichtlich hinbekommt, verschiedene Frauen durchs Haus kommen und gehen sehen, die er zu seinen, ich schätze mal PornHub- oder OnlyFans-Videodrehs eingeladen hat. Er hat sich in meinen Kopf gefressen, er ist mein Mitbewohner wider Willen, von dem ich nichts wissen will aber alles dauernd wissen muss. Wenn ich ihn von weitem auf der Straße gesehen habe, hasse ich ihn so, dass mir fast der Schädel platzt, er ist nämlich ein WIESEL. Wiesel sind Menschen, von denen man denkt, der wär gleich vorne mit dabei gewesen. Du hättest nett und verständig getan, um einen gemachten Mann aus dir zu machen und bedauernd geguckt, wenn du die Leute an der Rampe aussortiert hättest, du ekelhaftes Tier.

Irgendwann schreibe ich eine Mail an die Hausverwaltung. Die zuständige Mitarbeiterin ruft mich Wochen später an, um nachzuhaken. Irgendwann kapiere ich, nicht mein Leiden unter der Lärmbelästigung ist der Grund ihres Anrufs,  sondern dass sie aufgrund meiner Mail begriffen hat, dass über mir ein illegaler Untermieter wohnt.

Ich fertige ein Lärmprotokoll an, denn ohne geht es nicht, sagt sie.

Ein paar Wochen später. Ein Bett steht neben unserer Haustür, schön in seine Einzelteile zerlegt, Sperrmüll, soll sich drum kümmern, wer will. Das Bett ist aus Rattan! Zumindest das Knarzen hört auf.

Viel später. Ich treffe den anderen Nachbarn im Hausflur, der, der meinem Quäl-Nachbarn gegenüber wohnt. Ich bin schon fast vorbei, wir grüßen uns immer, sprechen aber eigentlich nie, Der is ja ausgezogen, sagt er unvermittelt. Ich stutze. Ach, sage ich. Und frage ihn, ob er sich denn auch gestört gefühlt hat. Der hat ja ein Bordell betrieben da, sagt er, die haben ja nachts bei uns manchmal geklingelt. Und dann immer die ganzen Frauen vor der Tür. Ich staune.

Ich dachte, ich hab zu viel irre Fantasie

Stellt sich raus, alles stimmt, ist nur noch viel krasser als ich dachte.