Neben mir im Flieger sitzt ein Mexikaner, ich hätte Lust mit ihm zu schlafen. Er ist dick und trägt seinen Haare in einem Undercut, darüber einen kurzen Zopf aus dichtem schwarzem Haar und einen Bart, seine Hände sind hübsch, ich mag die Form seiner Nägel, die dunkle Farbe seiner Haut. Ich würde ihn gerne küssen, trotz des Barts, er ist so weich, man kann sicher gut ihn ihm versinken. Er hört Musik mit riesigen Sony Kopfhörern, die er die ganze Zeit nicht abnimmt. Auf seinem Knie liegt das Buch eines bekannten, mexikanischen Autors. Auf Spanisch. Ich frage mich, wie das geht, mit ihm schlafen, mit seinem Bauch. Mir fällt so einiges ein. Ich kritzele in mein Notizbuch. Als ich aufs Klo muss, steht er auf und lässt mich raus, wir lächeln uns an. Oder eher ich ihn.
Ich sitze im Shuttle-Bus ins Stadtzentrum. Da taucht er plötzlich im Gang auf, sein Gepäck über der Schulter, Ach, hallo, sagt er, als er mich erkennt, in astreinem Deutsch, und läuft durch den Gang an mir vorbei. – Ein berliner Mexikaner, mexikanischer Berliner, logisch, das hätte ich mir ja denken können. Hoffentlich hat er nicht gelesen, was ich in mein Notizbuch gekritzelt habe. Nein, er hat die meiste Zeit geschlafen oder zumindest die Augen zu gehabt unter seiner Musik, und keine Ahnung gehabt, in was für einem Film er da nebenan mitspielt. Sollte ich ihn nochmal sehen, in den nächsten Tagen, dann spreche ich ihn an, nehme ich mir vor, das kann man dann doch machen, oder?, hey, sagen, ist ja witzig, ist jetzt das dritte Mal, dass wir uns sehen, jetzt müssen wir aber mal kurz reden, und was machst du so in Palermo, was hast du vor, willst du mitkommen, wir gehen da und da hin. Das geht doch, oder, das kann man doch machen. Wir werden ein Paar und dann fliegen wir nach Mexiko zu seiner Familie und ich verbessere mein Spanisch auf Hochformat und wir unterhalten uns über Schriftsteller und die politische Lage in Mexiko und haben wunderschönen, weichen Sex und erzählen uns, wie das war, als ich im Flieger neben ihm saß und da schon alles wusste.
Als er aussteigt, eine Station früher als ich, geht er grußlos an mir vorüber. Natürlich sehe ich ihn nie wieder. Stattdessen schäme ich mich. Ich drehe hier durch, mit meinen Jungmädchenfantasien, und er hat sich nur gedacht, ach, da ist ja wieder die nette alte Frau aus dem Flieger.