August 2019 – vollendete Gegenwart

Ich stehe auf dem Bahnsteig in der Provinz rum. Kommt ein junger Mann auf mich zu, ich schätze Asylbewerber aus irgendeinem Subsahara-Land. Ich habe sie gesehen, sagt er mit einem Akzent, den ich nicht einordnen kann, Sie sind sehr schön. Danke, sage ich, das ist sehr nett, aber ich habe einen Freund. Er nickt. Mein Herz hat geschlagen für Sie, sagt er, bevor er davon geht.

Ich könnte jetzt zynisch sein und sagen, was da geschlagen hat, das war ein anderes Körperteil, ich könnte sagen, sein routinierter, für deutsche Verhältnisse viel zu cheesiger Anmachspruch, ist heute schon dreimal mindestens wahllos an eine Frau herangetragen worden, mach ich aber nicht. Mein Herz hat geschlagen für Sie. Das nehm ich jetzt einfach mal so an, und erlaube mir, es für einen Moment schön und anrührend zu finden, und ihm hinterher zu schauen, über alle Unüberbrückbarkeit hinweg. Denn fasst es nicht gut zusammen, was passiert, wenn wir jemanden entdecken, der uns gefällt und bei dem klar ist, dass es schon vorbei ist, bevor es überhaupt angefangen hat.