1 Die Vulva
Die Vulva ist gerade in aller Munde. Die Vulva ist das nächste große Ding. Die Vulva ist voll im Kommen. Nein, im Ernst jetzt. Aufgrund des repräsentationspolitischen Versuchs, die Vulva aus ihrer strukturell bedingten Unsichtbarkeit zu holen und ihre Gleichstellung mit der Pimmelzeichnung zu erreichen, findet man sie inzwischen praktisch auf jeder zweiten Toilette. Ich persönlich begrüße das sehr. Sogar meine Frauenärztin greift nämlich, wenn ich eine vulvabezogene Frage stelle, freundlich nickend zum Spekulum und taucht damit in meine Vagina ab. Die Vagina, die Vagina. Die hatten wir doch jetzt. Sogar Monologe musste sie halten. Jetzt sind wir gespannt, was die Vulva uns zu sagen hat. Wie so eine Vulva aussieht, weiß nämlich im Grunde kein Mensch. Anders als der Penis, der ja quasi auf die 12 und in ya face am Männerkörper angebracht ist, braucht man für eine ordentliche Vulva-Selbstbetrachtung schon zwei Hände plus einen Spiegel (!). Was man dann sieht, kommt einem suspekt vor. Ob das so gehört? Keine weiß es. Die medizinischen Abbildungen haben mit dem, was man da vorfindet, nur abstrakt etwas zu tun, der Pornografie ist nicht zu trauen, und anders als der Penisvergleich zur männlichen, gehört der Vulvavergleich nicht zur weiblichen Sozialisationskultur. Da hilft nur eins: Der Rückgriff auf die DIY-Kultur. Vulva-Strickmützen, Vulva-Kissen, Salzteig-Vulva, Vulva-Malbücher, Vulva-Gipsabdrücke, endlich kommt Licht in die Sache. Im Internet scrolle ich mich durch Vulva-Abdrücke und staune einmal mehr über die unendliche Vielfalt der Natur.
Doch wie das so ist in Kapitalismus und Patriarchat, kaum hat man Sichtbarkeit und Repräsentation erkämpft, steigt auch schon der Druck. Beauty- und Optimierungsstress sind round the corner, der übliche Gentrifzierungskreislauf der Körperpolitik. Das System tritt an, die vielen unschuldig-diversen Blüten dem Markt zu unterwerfen, und uns ganz genau wissen zu lassen, wie sie denn nun gehört, Germanys Next Top Vulva: Straff, faltenfrei – und mit einem Schuss personality. Und die Männer, die sich, so mein Eindruck, bisher nicht besonders für die Vulva interessiert haben, ihr eher beiläufige Blicke zugeworfen haben, und wie meine Frauenärztin lieber rasch nach ihrem Instrument gegriffen haben, um damit freundlich nickend Richtung Vagina abzutauchen, (orale Umwege über die Klitoris, immerhin part of the vulva, nehmen sie ja, was für eine historische Errungenschaft, was für ein Kampf, mal kurz erinnern, bitte, und danke sagen nicht vergessen) die, ja die sind jetzt natürlich aufgewacht und auf die Idee gebracht, auch die Vulva in ihre definitionsmächtigen Attraktivitätskategorien einordnen zu können und ganz genau zu wissen, welche Vulven sie so an- oder abtörnend finden. Und schon finden wir uns mit unserer Problemvulva im Fitnessstudio, beim Friseur oder beim Schönheitschirurgen wieder (Schamlippen-OP im Trend).
Aber wie zeichnet man jetzt eigentlich eine Toiletten-Vulva? So ein Pimmel ist ja schnell aufs Wesentliche reduziert, mit einem einzigen durchgehenden Strich kriegt man ihn hin, inklusive ein paar Eiern. Noch einen kecker Schwung für die Eichel, ein Strichlein für die Harnöffnung, schon hat man ihn. In all seiner Charakteristik. Schon rein zeitlich kann man sich dann noch ein paar spratzige Hoden-Haare als Verzierung leisten, die verleihen der Sache immer so einen gewissen Witz, wahrscheinlich weil sie im Kontrast zum schnell gekritzelten Rest so schön auf die äußerliche Unterkomplexität des männlichen Geschlechtsorgans verweisen. Die Vulva der Frau hingegen ist natürlich wahnsinnig komplex, ja, na klar! Äußere Schamlippen, innere Schamlippen, Klitoris, Harnröhrenöffnung, vaginale Öffnung – da ist ne Menge los und mit ein zwei Kritzelstrichen wird’s knapp. Was tun? Versucht man, ihr gerecht zu werden, wird’s albern, wir sind hier auf Toilette und nich beis Rembrandts. Versucht man sie so knapp wie möglich zu halten, längliches Oval mit einem Punkt für die Klitoris, sieht sie aus wie ein nach oben schwimmender, evangelischer Fisch. Ich hab bisher wenig Überzeugendes gesehen. Aber da hilft nur eins: Üben, üben, üben. Ich kenne Jungs, die haben das jahrelang gemacht, Peniszeichnungen, schulhefteweise. Am Ende sahen die aber auch echt top aus.

2 Die Menstruation
Hier eine Zusammenfassung der aktuellen Debatte. (Man beachte auch die Vulvazeichnung oben-mittig, hier in einer Variante mit smiley.)

3 Die Burschenschaft
Linksrechts, linksrechts im Umkehrschluss. Das Beste zum Thema kommt gerade aus Österreich. Hier haben Frauen die Burschenschaft Hysteria gebildet. Ihr Schlachtruf: Patriarchat wegfotzen!
Dem ist nichts hinzuzufügen.