Ein Typ und sein Kumpel laufen an mir vorbei. Beide son bisschen punkig-schwarz gekleidet, Mitte fünfzig, schon rough, aber jetzt auch nicht obdachlos oder so. Der Typ, Bierflasche in der Hand, zu mir im Vorbeilaufen: Geile Titten. Ich, im Weiterlaufen: Arschloch. Er, im Weiterlaufen, checkt meine Rückseite: Und geiler Arsch! Ich rufe: Sexist, Arschloch und bleibe stehen. Er dreht sich um, hält beide Mittelfinger in die Luft, lacht dreckig. Der Kumpel neben ihm die ganze Zeit kein Wort zu gar nix.
Jaja, sowas ist nicht schön. Ekelhaft ist das. Dumm kommt man sich vor, hilflos und kläglich in seiner Reaktion, reduziert auf seine sexuellen Merkmale, an denen sich jemand einfach so delektiert ohne darum gebeten worden zu sein. Und dennoch. Fühle ich mich den ganzen Tag: Geile Titten, geiler Arsch, summt es in mir und ich laufe beschwingt weiter. This asshole made my day. Wann hab ich mich in den letzten Monaten so gut gefühlt? So viel Anerkennung bekommen? Dieser widerliche, voll gestörte, abstoßende, hässliche Vollhorst, dem ich am liebsten in die Eier treten würde, hat es geschafft, dass ich plötzlich denke, vielleicht ist ja doch noch nicht alles verloren und man kann mich wollen. Ich weiß, der Ekeltyp sagt das nicht mir, ich bin ja nicht blöd, der meint nicht mich, der meint nicht mal meine Titten und meinen Arsch, der sagt das zu jeder Frau, bzw. zu allen Titten und allen Ärschen, die vorbeilaufen, völlig egal, ob die geil oder ungeil sind, da wird angelabert was rumläuft, solange kein Mann neben den Titten und Ärschen geht, dessen Besitzverhältnisse man in Frage stellen würde, mit so einem Spruch.
Seine eigene Attraktivität steht hier natürlich nicht zur Debatte, nie. So einer geht praktisch permanent durch den Supermarkt – der ist noch dazu so alt und so prollig, dass er nicht mal wegswipet, davon hab ich hier schwer profitiert – liefern muss der gar nix, der ist ein Mann, das reicht als Währung aus, der will Frauen vögeln, bzw. Titten und Ärsche, und hat alles recht dazu, ob die Frauen ihn wiederum vögeln wollen, spielt dabei erstmal keine Rolle. Er macht das dann schon. Er verständigt sich schon mit den Titten und den Ärschen. Zur Not gegen Geld oder mit Gewalt.
Das ist das Perverse an dieser Welt. Der Cat-Call, die Belästigung, die Nötigung, der Missbrauch, sogar die Vergewaltigung tragen in sich den Kern eines Kompliments, einer Anerkennung, einer äußerst schmeichelhaften Wahl, die auf uns als Frau gefallen ist, einer Auswahl von der wir getroffen wurden, (positiver Sexismus, Hierarchie nett gemeint), die wir nicht loswerden, die an uns klebt und in uns wirkt und weswegen wir dann auch die sexualisierte Gewalt so schlecht loswerden. Das ist die Logik innerhalb derer wir uns bewegen. Und als Frau, die sich dessen bewusst ist und die versucht, da rauszukommen, ist man dann auch noch mit seinem schlechten Gewissen beschäftigt, dass man da was gut findet, dass man da was draus zieht, wogegen man sich aber doch eigentlich wehren muss, was man nicht gut finden darf, wogegen man sich richten muss, gegen die aufgezwungene Logik, gegen die verkackte Welt. Wir haben das Gewissen, nicht die. Nicht ein bisschen Gewicht auf ihnen.