Im Prinzessinnenbad beobachte ich, wie Mütter (eher so Migrationshintergrund) ihren Töchtern die Haare kämmen. Obsessiv und stundenlang. Ich glotze hin, so dass es schon unhöflich ist, aber ich kapiers nicht. Was da vor sich geht. Ich kann es nicht deuten. Ich guck und guck und verstehs nicht, nichts davon kenne ich, nicht die Haare der Töchter, lang und dick, nicht die Mütter, die die Haare kämmen, mit langen, bestimmten Bürstenstrichen, nicht sanft, eher grob und kräftig, das Haar spannt, das Mädchen hält dagegen, die Mutter fährt mit der Bürste über die Kopfhaut, den Nacken hoch, sie und die Tochter ein eingespieltes Team, das muss sein und dennoch machen sie das gerne, da korrespondiert was zwischen den beiden, hier wird eine Erinnerung produziert, eine Kulturtechnik zelebriert, ein Frauenleben tradiert, früher hat mir meine Mutter immer so die Haare gekämmt, und nun kämme ich dir deine. Das Mädchen guckt mit diesem Innenblick nach außen, die Mutter bürstet und findet die Tochter schön und das Haar der Tochter schön, stolz ist sie darauf, und ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Tochter schön bleibt und auch in Zukunft schön sein wird, weil es wichtig ist für Mädchen, und schön, dass sie schön sind und schöne Haare haben, lange und gepflegte, genau wie Mama, später mal, kann sie sie färben, und Frisuren und Wellen haben wie sie, aber jetzt noch nicht, jetzt hat sie noch diese natürlichen, langen Haare, die man bürsten muss, in die man Zöpfe flechten und Haargummis binden und Klammern stecken und all die anderen Drogeriemarktartikel aus der Haarschmuckecke einpflegen kann, vor denen ich genauso interessiert davor stehe wie vor Werkzeug bei Obi, lange, dichte Haare an denen man zupfen und die man streichen kann, bis alles so ist, wie es sein soll, immer wieder, von oben bis runter, die ganze Strecke bis in die Spitzen, das Kind will schon weg, aber die Mutter muss noch hier und da, und doch noch einmal besser ganz durch mit der Bürste, Kontrolle, Stolz, Fürsorge, Besitz, und etwas was ich nicht kenne, erkenne, vielleicht ist es Liebe, ich bin mir aber nicht sicher.