März 2019 – Rohes Stück Fleisch

Ich hetze über den Alexanderplatz und bin mir sicher, dass die Frau, die an mir vorbei läuft, meinen Namen sagt. Ich schaue sie an, beobachte sie, aber es war wohl doch etwas anderes. Die Musik ist sehr laut und die Lichter auch. Ich bekomme Angst. Hier stimmt was nicht. Ich schaue auf die Münder der anderen Leute. Viel Zeit hab ich nicht, ich muss über den Platz laufen wie eine Irre. Soeben habe ich C. am Telefon angeschrien. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals angeschrien zu haben. Aber sie hat mich verraten und ich bin verzweifelt und sie begreift nichts. Gar nichts. Sie begreift nicht, wie ungeschützt ich bin, dass ich ein rohes Stück Fleisch bin, das auf dem Tisch liegt, und sie mir noch das Laken wegzieht, mir das letzte bisschen Distanz raubt, das letzte Stück schützenden Raum, den es zwischen mir und der Psychiaterin gegeben hat, die ich so dringend brauche, und von der sie mir im Plauderton erzählt, dass sie gerade mit ihr Pizza isst und sie beim Vornamen nennt.

Ich bin in einem solchen Aufruhr, ich weiß nicht, wohin ich mich drehen und wenden soll, ich denke zwei Schritte, dann stoppe ich ab. Ich erreiche Ch. Bitte, sage ich zu ihm, sprich mit mir. Erzähl mir was, sage ich. Was du gegessen hast, was du heute gemacht hast, was du gerade siehst. Komm jetzt hierher, sagt er, es gibt Essen. Ich bin mir nicht sicher, ich tobe weiter, jage zurück nach Hause,

dann doch noch dorthin.

Man setzt mich an einen Tisch. Es gibt Essen. Irgendjemand redet was. Auch ich. Kamillentee.