Immer wenn ich depressiv bin, vernachlässige ich meine Zähne. Wie so ein Obdachloser. Ich putze nicht, abends nicht, morgens kurz, Zahnseide ab und zu, aber im großen und ganzen: Säure, Fäulnis, Faulheit, was bringt’s noch, lassen wir’s gären, über Nacht. Ich bin so müde, so erschöpft, ich muss JETZT ins Bett, ich muss hier liegen bleiben, auf dem Sofa, und schlafen, schlafen, Zähne putzen schaff ich nicht mehr, das schaff ich nicht, schaff jetzt ich einfach nicht mehr.
Dann Blut. Panikattacken, es wird zurückgeputzt, viermal am Tag, nachts träume ich vom Zahnausfall, alle Zähne spucke ich in meine Hand, kleine weiße, sandige Krümel, ich fahre im Traum mit der Zunge über die gummierten Kieferknochen, horror. Ich will zur Zahnreinigung, aber die kostet zu viel Geld. Der ewige Kreislauf.
Als ich sie mir dann leiste, bin ich so erleichtert. Genieße das Unangenehme, das Gekratze und Geschabe, den Gestank nach Zahnstein und die ausliefernde Behandlung durch die saubere Schwester im Hygienehandschuh, die mir ihren Busen an die Schulter drückt.
Ein paar Tage wird’s halten.