Juni 2016 – Junge in der Ubahn

Ein Junge in der U-Bahn spricht mich an. Er fragt mich, ob ich ihm helfen kann, eine Fahrkarte zu kaufen, er muss neun Stationen fahren, sagt er. Aha, sage ich und helfe ihm. Mein Eindruck ist, er kann das eigentlich. Nicht vergessen zu stempeln, sag ich noch, dann trudele ich den Bahnsteig runter, warte auf die Bahn. Er kommt hinterher geschlappt, macht ne Kurve um eine Säule, dann taucht er wieder vor mir auf. Mein kleiner Freund. Offensichtlich in Plauderstimmung.

Er will wissen, was für ein Handy ich hab. Samsung. Er auch! Was für eins. Ich: keine Ahnung, GT irgendwas. Ham sies dabei? Ich: Ja. Und rühre mich nicht. (misstrauisch, will diese Berliner Rotzgöre mich beklauen?) Zeigen sie mal. Ich hol mein Handy raus, er seins – Handyvergleich. Seins ist größer, gebe ich unumwunden zu. Das findet er gut. Wir steigen in die Bahn. Er fragt, wie alt ich ihn schätze. Ich gucke ihn an. Er geht mir bis zum Schlüsselbein (und ich bin klein, wie wir alle wissen). Ich sage: neun? Er lacht auf. Was? Nee ich bin vierzehn! ich bin vierzehn und rauche. Ach deshalb bist du so klein geblieben, sag ich. (ganz schön frech). Wir steigen in die Bahn. Ich beweis es Ihnen, sagt er. Er öffnet seine Gürteltasche einen kleinen, konspirativen Spalt breit, darin eine durchsichtige Tupperbox mit losen Zigaretten. Glaub ich dir nicht, sag ich, dass das deine sind. Die sind bestimmt für deinen Onkel oder Vater oder wo du jetzt hinfährst. Für seinen Opa, gibt er schließlich zu. Dann zeigt er mir noch seinen Bizeps am rechten Arm (weicher Babyspeck). Ich muss raus. Junge, allzeit gute Fahrt, denke ich, und: hoffentlich quatschst du immer die richtigen Leute an. Ich nehme mir vor, mit meinem Freund G. darüber zu sprechen, er ist Kinder- und Jugendpsychologe.