Oktober 2014 – Wurst

Manchmal ess ich Wurst. Ich meine Wurst im Sinne von Landjäger, Pfefferbeißer, Schinkenknacker. Nicht im Sinne von Aufschnitt. Wurst, in die man beißt, Wurst, die man reißt, mit den Zähnen, dem Kiefer, wie ein Wolf oder ein Urmensch. Die Wurst knackt und platzt auf und verbreitet ihren lauten Geschmack nach Fett, nach Tier und chipsmäßigen Übergewürzen in Sekundenschnelle in deiner gesamten Mund-Aura. Du kaust, du zermalmst sie, und merkst schon, da ist was in dir, das geht richtig mit.

Das kommt hoch aus dem Bauch und ist eine Gier, da ist ein Tier in dir, das mitisst. Das die Wurst begrüßt. Das aufwacht von ihr. So ne Wurst ist geil. Und pervers, das merkst du dann, und auch ein bisschen verachtenswert unterschichtenmäßig. Aber geil. Die Wurst breitet sich aus mit ihrem Gestank, dringt in deinen Kopf und benebelt deine Sinne und dein Bauch streckt sich ihr entgegen und du weißt schon, nachher musst du Zähne putzen und alles wieder in Ordnung bringen, aber jetzt gerade ist es ne geile Wurst.

Du erledigst da gerade was, im jägerischen Sinne, erlegst du da was, du holst dir was ab, und verleibst dir was ein, was du dir verdient hast. Du beißt da rein, und überlebst. Weil dein Tier stärker ist als das andere. Und du bist hungrig! Das hattest du vergessen. Du hast das Gefühl, du hast alles Recht der Welt, hungrig zu sein und deine Zähne jetzt in diese platzende Masse zu hauen und sie durch deinen Schlund zu pressen, und sie deinem Körper zu überlassen, der sich draufstürzt, weil er leben will. So kann Wurst sein.

Ganz schnell kippt das dann, und wird eklig, und wenn man dann die Fettaugen sieht und die Knorpelteile, die jemand in den Wurstdarm gequetscht hat und die Bilder aus der gnadenlosen Kette der kapitalistischen Tierverarbeitungsmaschinerie vor dem inneren Auge auftauchen, dann denkt man wieder drüber nach, Vegetarier zu werden. Aber für einen Moment war‘s ne geile Wurst.