Als ich früh morgens das Kunsthaus betrete und auf den Raum mit der Roman Signer Ausstellung zulaufe, bin ich aufgeregt. Endlich bin ich da, ich hab eine lange Anreise hinter mir, ich habe keine gute Zeit gerade, ich gehe schweren Herzens durch die Welt. Aber schon an der Eingangstür, dort, wo zur Begrüßung den Besuchern zugewandt eine längliche Tonne auf Gummistiefeln steht, muss ich lachen. Ich könnte die Tonne umarmen. Der Raum, der sich hinter ihr öffnet, hell, hoch, großzügig, fein und klug bestückt mit Signers Arbeiten, räumt auch in mir alles auf. Ich bleibe die nächsten beiden Stunden hier, schaue mir alles genau an, höre Signer in seinem Appenzeller Dialekt über eine App zu, wie er über ein paar seiner Arbeiten spricht, und bin happy.
Das war schon immer so und natürlich nicht bei jeder Kunst, jedem Künstler, jeder Künstlerin. Aber Kunst, Fotografie und Architektur gucken ist für mich ein großes, anregendes, teilhabendes Glück.
Dieser Sommer war ein Art- und Archi-Sommer: Brutalismus-Führung in Berlin: Benjamin Franklin, Hygieneinstitut (kurz vor der Renovierung nochmal von innen!), Mäusebunker. Käthe Kruse in der Berlinischen Galerie. (Über die ich auf Hanne Darboven gekommen bin.) Roman Signer im Kunsthaus Zürich. Rechtswissenschaftliche Bibliothek Zürich von Calatrava. Vija Celmins (kannte ich nicht) in der Fondation Beyerle in Basel (Gebäude: Renzo Piano). Katharina Grosse in der Staatsgalerie in Stuttgart. Hanne Darboven Haus in Hamburg, genau genommen keine Ausstellung, trotzdem gehört’s in die Liste. Bas Jan Ader in Hamburg, absolutes Highlight. Yoko Ono in Berlin. Lost Art Festival und Berlin Art Week folgen noch. Und wer weiß, was noch.
Ich frage mich, warum ich das mache. Was mir daran so eine Freude ist. Mir fallen Menschen ein, die ihre Liebe zur Kunst, ihr Interesse daran, mit mir geteilt haben. Mein Vater, der mich früh an solche Orte geschleppt hat und mir seine aufrichtige Begeisterung für Kunst, für „das Kreative“, das er selbst in sich trägt, gezeigt hat. An J., meine erste Mitbewohnerin und beste Freundin, die sich, vielleicht mit einem intellektuelleren Zugang, für Kunst interessiert hat, und mich mit nach Paris oder Basel geschleppt hat, um welche anzuschauen. Und natürlich T.
Kunst gucken war für mich damals: Hoffnungsschimmer, Türöffner, Erleichterungsmoment, Ankommensgefühl, Anregungsmaschine, Weltverständnis, Teilhabe. Kunst gucken hat mich weg geführt, raus aus der unendlich langen, dumpfen Erfahrung der Realschule, raus aus der inspirationsfreien Umgebung, in der ich aufgewachsen bin. Sie hat mich an Orte geführt, in denen ich atmen kann.
Heute ist mir Kunst näher denn je. Kunst gucken kann ich gut allein (ohne Angst) und sehr gerne mit anderen. Kunst ist Anlass, Kunst bringt mich auf den Weg, führt mich irgendwohin, in Räume, die sie oft atmend umgeben und die mich atmen lassen. Ich brauche Kunst, weil sie mich denken, prozessieren, selbst kreativ werden lässt. Kunst makes me happy.