Juni 2024 – Weird German Culture

Im Café. Drei Tische weiter eine Dreierrunde junger Expats, zwei Männer, eine Frau, in ihren late twenties, Start-up-Leute?, vielleicht noch Studis. Sie unterhalten sich im Lästermodus über die Germans und ihre Eigenheiten. Einer der Jungs, ich schätze Australier, erzählt, dass er jemanden kennt, der bei seinen Eltern wohnt und dort Miete zahlen muss. Er geht voll darauf ab, kann es nicht fassen. Die anderen schütteln ebenfalls verständnislos den Kopf, aber er ist wirklich maximal empört: Das sind seine Eltern! And he has to pay rent!!!

Sie scheinen alle drei insgesamt nicht besonders angetan zu sein von der weird German culture.

Ich bin irritiert. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich das unter bestimmten Umständen nur richtig finde, dass so ein Lümmel oder so eine Lümmeliene Miete zahlt, wenn er oder sie Geld verdient und den Alten noch immer auf der Pelle hockt, sie als Eltern sieht, an denen man nuckeln kann, statt als Menschen.

Ich staune einmal mehr, wie German ich bin. Very German. Soziale Kälte, voll mein Ding.

Mir gehen diese Prenzlberg-Kinder ja eher auf die Nerven oder vor allem ihre Eltern, die sich nicht abgrenzen können und ihre selbstgefälligen, auf maximale Bequemlichkeit des eigenen Egos trainierten Kinder im Nest behalten, um sich selbst zu schonen und sich den Herausforderungen ihrer Midlife-Crisis zu verweigern.

Jedoch. Frage ich mich. Warum meine eigene Familien- und Lebenserfahrung inklusive meiner politischen Haltung, mich dazu bringt, so zu denken. Statt sich zu freuen, wenn es jemand für selbstverständlich hält, dass man sich kümmert, no matter what. Care-Manifesto. Lese ich gerade.

Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass man Familie auch anders sehen und denken kann. Warum denn nicht, sollen sie doch in Berlin bleiben, ist ja auch toll hier, wir wollten schließlich auch hier leben. Warum denn nicht, soll er wieder bei uns einziehen, wenns in der WG nicht mehr geht, ist doch schön, zusammen frühstücken, und mit seiner Freundin verstehen wir uns auch so gut.

Doch wenn ich jetzt genauer drüber nachdenke: In einem Fall war am Ende jemand tot (Elternteil, Suizid), im anderen Fall wurde dem herzigen Bub durch permanentes Schnittchen schmieren das Leben verkackt, weil er irgendwann vor lauter Schonwaschgang nur noch zum Gamen in der Lage war.

Vielleicht ist das aber auch einfach eine Geschichte über die Wohnungskrise.