August 2025 – And just like that

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Ich bin wirklich gespannt zu erfahren, wie es Carrie am Ende ergeht. Wie sie sich und uns aus ihrer Geschichte entlässt. Ich warte darauf, wie auf eine Gebrauchsanweisung: Wie soll man es nehmen, das Leben ab 50. 

Ich staune, wie viel Raum sie mir immer zur Identifikation geboten hat, bei größter augenfälliger Distanz  Wie sehr auch Carrie immer auf der Hut sein musste, sich nicht zu verlieren, weil sie die Liebe ernst genommen hat. 

In And Just Like That hat Carrie wie gehabt Erfolg, Geld und haufenweise Freundinnen. Sie war und ist, auch jetzt, wo sie älter wird, ein netter offener Mensch. Sie war und ist immer geblieben, ein erzählerisch herrlich elternloses Wesen, das eine Therapie versucht, aber als Nicht-ihr-Ding abgebrochen hat. Am Ende lebt sie nicht mehr in ihrem geliebten Apartment, sondern in einer riesigen Eigentumswohnung in einem soliden Viertel (in das sie für eine Perspektive mit Aiden gezogen ist) mit einer Katze und einem Garten. Zum ersten Mal schreibt sie an einem fiktionalen Buch, einem historischen Roman, einer Liebesgeschichte aus der Perspektive einer Frau.

Sie hat in ihrem Leben eine große Liebe mit viel Schmerz, viele Glück und vor allem einem Haufen Auf und Ab gehabt, sie hat einen einschneidenden Verlust hinter sich – nicht durch Trennung, sondern durch Tod – und sie hat trotz allem Aiden (nochmal) in ihr Leben gelassen, und sich viel Mühe gegeben, die Dinge für sich, ihn und die Beziehung besser oder richtiger zu machen. Um am Ende feststellen zu müssen, dass er ihr und der Beziehung in seinem Leben einfach keine Priorität einräumen kann. Nun schaut sie, nach einer kurzen Affäre mit einem Mann, der sich entfernt wie alle anderen zuvor, dem nächsten Lebensabschnitt allein entgegen, und damit der Frage, wo sie steht. Wie also, soll sie ihren Roman beenden? 

Sie lässt ihre Protagonistin allein an einem Tisch sitzen. Angefüllt und zufrieden mit dem, was sie erlebt hat und was sie umgibt. Doch die Lektorin ist nicht zufrieden. Sie denkt sogar, Carrie habe vergessen, ihr das eigentliche Ende zu schicken. Carrie ist irritiert. Und fragt sich – eine klassische Carrie-Frage aus der Kolumnen-Zeit von Sex and the City – 

Was ist so schlimm an einer Frau, die allein ist? 

Irgendwann, nach Thanksgiving, wo sie all ihre Freunde erlebt, ihnen auf ihre helle, humorvolle Weise beisteht und sieht, wie sie alle ihre gewählte Leben leben, sich dabei aber auch um sie sorgen, sie kennen, schätzen und mögen, schreibt sie den letzten Satz ihres Romans neu. 

She was not alone – she was on her own. 

Ich verstehe, dass on her own sein was anderes ist, was Gutes und Großes. Sie ist erwachsen und selbständig und weiß, wie das geht, sie ist unabhängig, auch davon, sich über die Beziehung zu einem Mann zu definieren. Sie hat sich eine Arbeit, ein Umfeld, einen Wohlstand erschaffen, ein Leben, in dem sie sich frei bewegen kann, weil es ihr darin auf die für sie beste Weise gut geht. Denn sie kennt sich gut.

Dennoch macht mich das Ende traurig.

Es ist so, als habe sie das, was sie sich gewünscht und wonach sie gesucht hat, nicht bekommen. Nämlich jemanden, der bei ihr ist. An ihrer Seite. Obwohl sie sich nicht geschont hat dafür, obwohl sie gelernt und verstanden und sich entwickelt hat, obwohl sie so mutig war, es immer wieder zu versuchen, und obwohl sie einen Schicksalsschlag eingesteckt hat, der sich diesen gewählten Zugriffen entzogen hat. 

Das Ende klingt, als habe die Vernunft gesiegt. Nicht die Liebe. Als habe die Emanzipation gewonnen, die Romantik oder vielleicht besser, die Gefühle verloren. Es ist ein durchaus weises Sich arrangieren mit den Verhältnissen, mit dem Alter, das seinen Tribut zollt, in dem nicht mehr alles möglich ist, in dem man dankbar sein muss, für alles, was da ist und geschafft wurde und noch geschafft werden kann. Aber die Liebe und der Traum von ihr sind, wir haben es miterlebt, auf der Strecke geblieben. Vielleicht wird es in Zukunft ab und an eine freundliche Begegnung mit jemandem geben oder einen Gefährten, der eine Weile bleibt. Aber sie wird auf sich allein gestellt sein, mit allem was daran reich und gut und glücklich machend für sie ist. Aber eben auch traurig. 

 

2

Was, wenn das ganze feministische Training von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit am Ende nur eine Vorbereitung war auf den Zustand von Lieb-Losigkeit und Einsamkeit, der einen im Alter einholt wie ein unausweichliches Schicksal. Wie kommt es, dass ich es früher cool fand, als Frau allein im Restaurant zu speisen, an der Bar zu sitzen und zu reisen, und es mir heute vorkommt wie etwas, das getan werden muss, weil es anders eben einfach nicht stattfinden würde. Das ist keine freie Entscheidung. Wieso beschleicht mich der Eindruck, dass ich das schamvolle Bild der übersehbaren, bedauernswerten alleinstehenden Frau abgebe, das Bild des weiblichen Scheiterns also, wenn ich da im Restaurant sitze, und eben gerade nicht das Bild einer eigenständigen Frau, die tut, was ihr gefällt und dafür eine Menge überwunden hat (meine Mutter hätte all diese Dinge oben niemals getan), eine Frau also, die voll empowered in der Lage ist, allein zu sein.  

Wer lädt die Bilder auf? Ich? Die Gesellschaft? 

Vielleicht kann man wie Katja Kullmann in Die singuläre Frau oder Gudrun Gut mit ihrem Hof in der Uckermark oder eben Carrie mit ihrem She was on her own tatsächlich zufrieden, einverstanden und sogar glücklich sein, wenn sich das Leben tatsächlich aus- und angefüllt anfühlt, wenn in allen wichtigen Aspekten des Lebens wie Beruf, Umfeld, Auskommen etwas erreicht wurde oder eingetreten ist, was sich richtig und passend anfühlt. Was, wenn das nicht der Fall ist? 

Was, wenn die aktive und längst überfällige Umwandlung des Bildes der alleinstehenden älteren Frau (Hexe mit Barthaar), die in all den Single-mit-50-und-noch-nie-so-glücklich-Bücher und den vielen Empowerment-Artikeln zu Wir-müssen-über-die-Menopause-reden vorangetrieben wird, im feministischen Echoraum verbleibt und mal wieder nur bei den Frauen ankommt? Was, wenn dieser Diskurs, wie meistens, wenn das Private politisch aktiviert wird, neuen Druck erzeugt und vor allem, über eine Sehnsucht und eine Traurigkeit hinweg grätscht, die daher rührt, dass es nicht gelungen ist oder nicht mehr gelingen will, in dieses Private eine Beziehung zu integrieren?

Und was spielen eigentlich KATZE und GARTEN für eine Rolle in dieser Erzählung?

Katze (nochmal andere Implikationen als beim Hund, aber ähnlich): Hast du ein Bedürfnis nach Kuscheln, dann organisier dir was zum Kuscheln. Kenne deine Bedürfnisse und decke sie ab. Such dir was, was dich, anders als die Anwesenheit eines Mannes, nicht ständig damit konfrontiert, dass du trotz deiner Anti-Body-Shaming-Überzeugungen (politisch) very ashamed of your body (privat) bist und du es im Grunde sehr gut nachvollziehen kannst, dass diesen Körper keiner mehr begehrt, einen Körper, den du mehr denn je geschickt bedecken, in intimen Situationen schlecht beleuchten und unter permanentem Aufwand zurecht trimmen musst. Auch der Katze muss man das Kuscheln manchmal ein bisschen abtrotzen, aber das, witzelst du, bist du gewohnt. Ein bisschen Sorgearbeit auch, füttern, mal die Milben aus den Ohren, herrlich. 

Garten. An Virginia Woolfs A Room of Ones Own können wir einen Haken machen: haben wir, check. Was wir jetzt brauchen: A Garden of Ones Own. Such dir einen Garten, dann hast du es schön und ruhig, und kannst den Blick schweifen lassen über das Grün. Das brauchst du jetzt. Einen Ort für dich, an dem du die Welt draußen lassen kannst, denn die wird sowieso und im Alter anstrengender. Hier im Garten gehts um Rückzug. Und ums bei sich sein. Vor allem aber hast du eine Beschäftigung. Eine Beschäftigung, noch so ein Wort des Alters. Such dir eine Beschäftigung.

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Wahrscheinlich ist es trotz allem die beste Zeit in der Geschichte der Menschheit, eine Frau über 50 zu sein.