August 2024 – Dessau im August – Park Life 

Ein älterer Mann, obdachlos, hager, noch ganz manierlich zurecht. Ich assoziiere Rumänien vom Aussehen her, aber was weiß man schon. Er trägt seine Sachen in einem alten Koffer mit sich herum. Das macht ihn zu einem Filmstar. Auch das abgerissene Sakko, die Anzughose, die lange getragene Lederschuhe. 

Er dreht seine Runden, schaut in Mülleimer, hat dabei etwas Ruhiges, Vorsichtiges. Er ist auf der Hut, hält sich im Hintergrund, ist beinahe unsichtbar.  

Eine Gruppe ukrainischer Frauen trifft sich regelmäßig auf den Sitzmöbeln. Sie reden laut und viel. Ich verstehe nur Putin.

Drei im Boden verankerte Tisch-Stuhl-Kombinationen, sie gehören den black guys. Refugees, I suppose. Sie hängen hier ab, spielen, hören Musik, quatschen. Ab und zu mal wird es laut, es gibt Streit, man macht sich Sorgen, dann ebbt es wieder ab. In welchen Sprachen sie sprechen, wer woher kommt, inwiefern das eine Rolle spielt, von außen ist es nicht zu verstehen. die Polizei fährt regelmäßig durch, Präsenz zeigen, aber alles wirkt friedlich, Co-Existenzen im Park. 

Hinter dem Bauhausmuseum an den Cafétischen, hier bleibt man recht unbehelligt.  Ein älterer Mann, einer dieser Spazierradler, parkt sein Discounter-Rad, setzt sich, guckt immer, will mit mir ins Gespräch kommen. Ich lege schließlich mein Buch weg und lasse es zu. 

Seine Frau ist gestorben, 2021, er hat dort drüben gewohnt, in einem der Y-Häuser, im 13. Stock. Die Hochhaus-Platten in Y-Form sind, genau wie die längste Platte Deutschlands, die auch hier in der Dessauer Innenstadt steht, berühmt und quasi ikonisch für Dessau. Jetzt wohnt er woanders, im Parterre. 

Er zeigt mir Fotos, von seiner Küche, von seinem Enkelsohn, Noah, der Lehrer werden will. Alles zu intim, aber was solls. 

Er erzählt, dass er wie sein Vater Schlosser war, und beim VEB Waggonbau gelernt und gearbeitet hat. Dessaus Hauptarbeitgeber. Der nach der Wende die üblichen Verkaufs- und Abwicklungsphasen bis zur Schließung mitgemacht hat. Er wiederholt sich, hört nicht zu, fragt nichts. Nach einer Weile verstehe ich, dass er Anzeichen von Demenz hat. 

Ich werde ihn in den nächsten Wochen beinahe jeden Tag mit dem Rad herumgurken und immer mal irgendjemand vollquatschen sehen. Kein ganz schlechtes Leben.