Naoshima. Als U, der sich wundert, wie man angesichts einer solchen Meeresbucht bei bestem Wetter auch nur eine Sekunde außerhalb des Wassers bleiben kann, die junge Frau an der Rezeption fragt, weshalb die Japaner eigentlich nicht im Meer baden, sagt sie: too cold und reibt sich mit den Händen über die Oberarme. U. irritiert das zutiefst. Hier und sonst. Die Japaner sind Drinnies. So so langsam der Eindruck. Eine starke Verbindung zur Natur scheint es bei den Japanern zu geben, gleichzeitig fürchten sie sie enorm. Das Meer gibt zu essen, Bäume werden liebevoll gestützt und gepflegt, die Erde wird bepflanzt, Gärten kultiviert, die Blumen gehütet, jedes verdorrte Blütenblättchen mit der Pinzette weggemacht, auf den Knien der Rasen gestreichelt und gekämmt, ich schwörs, wir haben’s gesehen. Natur ist wertvoll und bedrohlich zugleich. Vor aggressiven Raben wird gewarnt, die Fenster bitte geschlossen halten, sonst kommen Insekten rein, die Schuhe nicht draußen lassen, sonst holt sie der Waschbär. Natur wird kultiviert, zivilisiert, gebändigt. Vielleicht ist das die Antwort auf Erdbeben und Tsunami. Baden gehen kann man im Onsen oder im Sento. Da ist es niemals too cold, die Abläufe sind klar, es gibt nichts Unberechenbares.
Als wir einige Tage später in Kanazawa an den Strand fahren, liegt dieser tiefe, aus wundervoll seidigem Sand bestehende Strand alleine da. Wir mussten lange fahren und laufen, um ihn zu erreichen, das erste Bild, das wir von ihm sehen, ist von einer Autobahnunterführung gerahmt. Gut, es regnet ein bisschen und ist windig, doch generell scheinen sich außer ein paar Surfern und verrückten Touristen niemand von den Einheimischen für ihn zu interessieren. Was wäre an so einem Strand in Europa los!
Warnungen Informationen Verhaltensweisen. Wie ist den Dingen zu begegnen. Wie lässt sich über Verhalten das Entsetzliche, das jederzeit herein- oder herausbrechen kann, bändigen, wie kann man dem Unbändigen, dem Unberechenbaren Herr werden. Auch eine Bombe ist ihnen vom Himmel auf den Kopf gefallen. Was mich wundert, nirgendwo finde ich Anweisungen zum Verhalten bei Erdbeben oder Tsunami. Ich fühle mich sicher, in diesem Land, das meine Ängste zu teilen scheint, mich für alles rüstet, mich beständig freundlich aufmerksam darauf macht, wohin ich gehen, wie ich stehen soll. Doch die ganze Zeit beunruhigt mich, dass ich nicht weiß, was ich tun soll, wenn die Erde bebt. Wei en Tabu kommt mir das vor. Alle müssen das hier mit der Muttermilch aufgesaugt haben. Erdbebenübungen schon im Kindergarten. Vielleicht deshalb? Aber so ganz passt das nicht. Touristen werden Bringt es Unglück, darüber zu sprechen?