Ich staune über den Begriff der Freiheit, der gerade überall auftaucht. Die erhobene Faust in der Hand wird er skandiert, bei der sogenannten Hygiene-Demo. J. erzählt von einer Frau, die weint, weil sie sich nicht hat vorstellen können, dass sie nochmal in ihrem Leben an einer solchen Demonstration würde teilnehmen müssen, wie damals in der DDR 1989. Die Impfgegner argumentieren mit Freiheit, die Staatsrechtler sprechen über Freiheit, Juli Zeh merkt an, dass sie den Eindruck hat, Sicherheit ist heute wichtiger als Freiheit.
Ich frage C., was sie über Freiheit denkt. Das is doch das Wichtigste von allem, sagt sie. Ach ja? Ich weiß nicht, was Freiheit sein soll, vielleicht weil ich so ein verklemmter Typ bin. Ich vermute hinter dem hierzulande gerade grassierenden Freiheitsbegriff vor allem eins: Ein big Ego-Play.
An Freiheit ist doch problematisch, dass sie schnell auf Kosten anderer geht. Dass sie nicht: Rücksichtnahme, Gemeinschaft, Solidarität ist. Nicht mal Respekt. Ich nehme mir die Freiheit, heißt, man nimmt sie aus dem was vorhanden ist, man nimmt sich sozusagen was raus, oder: man nimmt sie jemand anderem weg. Und frei ist man doch nur, wenn man in der Lage ist, über sich selbst zu entscheiden, und dazu braucht man so vieles, das man nicht einfach qua seines Menschseins hat, nämlich Kapital aller Art, ein Haufen Glück und andere unberechenbare, also nicht selbst bestimmbare Faktoren. Im Sozialen ist man nie wirklich frei. Und verlässt man das Soziale und zieht in den Wald, ist da immer noch die Natur. Aber so kann nur jemand über Freiheit sprechen, der nicht in einem korrupten, diktatorischen Staat lebt. Einem Staat, der keine Lust hat, und nicht das Verantwortungsgefühl aufbringt, seine Bevölkerung mit freiheitseinschränkenden Maßnahmen zu schützen.
Ich nehme mir vor, mal bei den Philosophen nach Freiheit zu suchen, aber wer hat denn die Zeit für sowas.